Werke und Briefe. Wissenschaftliche Ausgabe / Erzählungen und Romane I (Werke 1) von Bölsche,  Wilhelm, Roloff,  Hans-Gert, Susen,  Gerd-Hermann

Werke und Briefe. Wissenschaftliche Ausgabe / Erzählungen und Romane I (Werke 1)

Textband

Bevor Wilhelm Bölsche den Weg eines populärwissenschaftlichen Autors einschlug, hatte er sich der schönen Literatur verschrieben; unter dem Eindruck der Lektüre von Felix Dahns ‚Kampf um Rom‘ wandte er sich dem Historischen Roman zu. Er plante wohl als erstes, den Bataver-Aufstand unter Civilis (69/70 n.Chr.) literarisch zu verwerten, das Werk blieb jedoch ungedruckt, und das Manuskript ist nicht überliefert. Auch die beiden folgenden Romane – ‚Paulus‘ (1885) und ‚König Arpus‘ (1887) – bleiben dem Historischen Roman verpflichtet. Ein mehrmonatiger Aufenthalt in Italien (im Sommer 1883) sorgt für das Lokalkolorit, und das zum Wintersemester 1883/84 aufgenommene Studium der Klassischen Philologie gewährleistet die historische Faktentreue. Inhaltlich jedoch beschreitet Bölsche selbstbewusst eigene Wege. ‚Paulus. Roman aus der Zeit des Kaisers Marcus Aurelius‘ folgt zwar in Aufbau und Ausformung der Figuren den bekannten Vorbildern Eckstein, Taylor und Ebers, aber durch das unkonventionelle Ende – der Protagonist wendet sich vom Christentum ab – wird Bölsches Intention deutlich: Sie liegt in der Paulus zugewiesenen Maxime: ‚Liebesglück und heitere Lebensfreude‘, also Leben in einer Freiheit der Sinne und des Geistes, ohne religiöse bzw. ideologische Bindung. Auch ‚Der Zauber des Königs Arpus. Humoristischer Roman aus der römischen Kaiserzeit‘ spielt mit den Erwartungen des zeitgenössischen Lesers, wenn darin die Verbreitung des Bieres in der römischen Welt – also ein Kulturimport aus dem barbarischen Germanien in das Römische Reich – geschildert wird. Der heitere Grundton des Romans ist, wie dem Vorwort zu entnehmen ist, ‚gewissermaßen ein Abschiedsgedicht an die heitere Bonner Studienzeit gewesen‘, und dementsprechend gilt die Widmung dem ‚klassisch-philologischen Vereine in Bonn in freundlicher Erinnerung an heitere Semester‘.
Literaturgeschichtlich interessant ist das fast gleichzeitige Erscheinen des ‚Königs Arpus‘ und der ‚Naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie‘ – steht doch der Roman formal für eine literarische Tradition, die die naturalistische Programmschrift weit hinter sich gelassen hat. Tatsächlich entstammen die beiden Arbeiten jedoch verschiedenen Jahren. ‚Der Zauber des Königs Arpus‘ lag bereits Ostern 1886 fertig vor, während die ‚Grundlagen‘ erst kurz vor ihrem Erscheinen im Februar 1887 verfasst worden sind. In dem dazwischen liegenden Jahr war Bölsche in Paris mit dem Naturalismus in engere Berührung gekommen, und – wie er in einem Brief an Georg Ebers erklärt hat – in jungen Jahren macht ein Jahr Entwicklung viel aus.
Der Forschung unzugänglich waren bisher die beiden Novellen, die hier erstmals seit ihrem Erscheinen vor mehr als 125 Jahren wieder veröffentlicht werden. Ein Hinweis auf den ‚Lenzritter‘ (1884) findet sich immerhin bei Rudolf Magnus, der ihn jedoch (mit der Jahresangabe 1881) als verschollen bezeichnet; die Existenz des ‚Apollodorus‘ (1885) war dagegen gänzlich unbekannt. Es sind sozusagen Fingerübungen für die kurz darauf folgenden Romane: Schärfer noch als ‚Paulus‘ wendet sich der ‚Lenzritter‘ gegen religiösen Dogmatismus. Entscheiden sich dort die Liebenden im Einklang mit ihrer inneren Überzeugung für den Tod bzw. für das Leben, so wird die Verbindung zwischen dem Burgfräulein und seinem Lenzritter durch den Herrschaftsanspruch der Kirche vernichtet. Nach romantischer Manier gestaltet Bölsche hier das Motiv der Mahrtenehe am Beispiel eines Burgfräuleins und dem ihr von der Göttin Ostara ‚aus Frühlingswinden und Blütenduft und Liebeszauber‘ geschaffenen Lenzritter. Die ‚heitere Musik- und Liebesgeschichte‘ ‚Apollodorus‘ dagegen nimmt in einigen Zügen den ‚König Arpus‘ vorweg. Das historische Gewand ist hier nur locker übergestreift, und dient dem jungen Autor wohl in erster Linie dazu, die inhalts- und verständnislosen Gespräche in seinem Bekanntenkreis ironisch darzustellen.
Der vorliegende Band, der die Ausgabe der Werke Wilhelm Bölsches einleitet, präsentiert die frühen literarischen Arbeiten des Autors, der sich nach der ‚Mittagsgöttin‘ schließlich ganz dem naturwissenschaftlichen Schreiben zugewandt hat. Dennoch lassen sich hier bereits einzelne Aspekte feststellen, die in den späteren Jahren immer wieder in den Schriften Bölsches auftauchen, wie etwa das Verhältnis zur Religion oder die ausführlichen Naturbeschreibungen.

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