1933 – Deutschland im Nazirausch von Behl,  Joachim

1933 – Deutschland im Nazirausch

Wir sind das Volk

Wie konnte es zum Faschismus in Deutschland kommen mit all seinen barbarischen
Auswüchsen, in einem Land, das Goethe und Schiller hervorbrachte? War Hitler das große Übel,
der ein ganzes Volk verführte, seiner humanistischen Traditionen beraubend? Wurden die
Deutschen das Opfer einer ihnen aufgedrängten Diktatur? Wer ist verantwortlich für das, was im
Namen des deutschen Volkes geschah, verantwortlich für Auschwitz und Buchenwald,
verantwortlich für über 50 Millionen Tote des zweiten Weltkriegs, der dem ersten Weltkrieg nach
nicht einmal einem Vierteljahrhundert von deutschem Boden aus folgte? Fragen, auf die viele
Menschen nicht erst seit Ende des sogenannten Dritten Reiches nach Antworten suchen.
War der Faschismus ein atypischer Unfall in der Geschichte des deutschen Volkes, nicht
vorhersehbar, plötzlich über die Deutschen kommend? Die einfachste und häufigste Antwort der
Deutschen ist tatsächlich: „Die Nazis waren schuld, Hitler und seine Meute, Menschen, die sich
der Diktatur andienten.“ Eine andere häufige Antwort unmittelbar nach Ende des Dritten Reiches
war: „Wir wussten nichts von den Verbrechen der Nazis!“ Heute werden die letzten ehemaligen
KZ-AufseherInnen und KZ-MitarbeiterInnen in Deutschland strafrechtlich verfolgt, die zur Zeit
ihres Einsatzes noch im Teenageralter oder gerade dem Teenageralter entwachsen waren.
Urteilsbegründung ist, dass sie die Ermordung von KZ-Häftlingen „objektiv förderten oder
erleichterten“. Sie waren „willige und gehorsame Untergebene einer strukturierten und
organisierten industriellen Tötungsmaschinerie“, die die nationalsozialistischen Machthaber
überhaupt in die Lage versetzten, die Tötungen in den KZ in der geschehenen Form auch
durchführen zu lassen (BGH, Beschluss vom 20.9.2016, 3 StR 49/16). Damalige Jugendliche
sollen mit dafür büßen, was zur NS-Zeit an Grausamkeiten in den KZ passiert war, Jugendliche,
die durch ihre soziale Umgebung, die Erwachsenenwelt, ihre Schule, ihre Kirche oder ihren Staat
jahrelang zu willigen NS-Anhängern heranerzogen wurden.
Albert Einstein schrieb in seinem „Nachruf auf die Helden des Gettos in Warschau“ (1944),
bezugnehmend auf den grausam niedergeschlagenen Aufstand der im Warschauer Getto
gefangenen Juden gegen ihre Deportation durch die Deutschen in Vernichtungslager 1943: „Die
Deutschen als ganzes Volk sind für diese Massenmorde verantwortlich und müssen als Volk
dafür bestraft werden, wenn es eine Gerechtigkeit in der Welt gibt und wenn das Bewusstsein der
Völker für kollektive Verantwortlichkeit nicht vollends untergehen soll. Hinter der Nazipartei steht
das deutsche Volk, das Hitler gewählt hat, nachdem er ihm seine schändlichen Absichten in nicht
misszuverstehender Form in seinem Buche („Mein Kampf“/J.B.) und in seinen Reden allgemein
bekanntgemacht hatte.“ Der Warschauer Aufstand forderte von den Getto-Bewohnern 12.000
Opfer im Kampf, 30.000 Hingerichtete nach dem Kampf und 7.000 Vernichtete in den KZ.
Einstein schrieb Ende August 1932 in seinem Haus in Caputh sein „Glaubensbekenntnis“ in
Anbetracht einer nationalistischen Welle nieder, die die deutsche Gesellschaft regelrecht
überschwemmte. Darin bekennt er sich „als leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist, lehne
jeden Nationalismus ab, auch wenn er sich nur als Patriotismus gebärdet“, übrigens eine Haltung,
die er selbst nach Ende des zweiten Weltkrieges beibehielt, als die Deutschen schon wieder
militärisch aufrüsteten. In seinem „Glaubensbekenntnis“ schrieb er auch eine Erkenntnis, die das
menschliche Denken und Handeln seit Jahrzehnten neu definiert: „Ich glaube nicht an die Freiheit
des Willens. Schopenhauers Wort: ‚Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht
wollen, was er will‘, begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen
der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind.“
Was für ein inspirierender Gedanke: Die Gesellschaft übernimmt die Verantwortung für das
Handeln des Einzelnen. Das schließt auch ein Handeln zum Schaden dieser Gesellschaft ein. Sie
muss sich dann nämlich fragen, wo hat sie selber in der sozialen Beeinflussung und
Heranerziehung dieses Einzelnen versagt. Die Suche nach der Ursache des Handelns hört dann
nicht mehr bei der Findung des Willens des Handelnden auf, sondern bei der Findung, wie dieser
Wille in der Gesellschaft entstehen konnte. Dieser Gedanke der sozialen Verantwortung kann
und muss erweitert werden auf die Menschheit insgesamt. Um es am Entstehen und Bestehen
des deutschen Faschismus` zu erläutern: Wo und wie hat die deutsche Gesellschaft versagt, als
sie die Errichtung der faschistischen Diktatur zuließ und sogar zum übergroßen Teil begrüßte?
Weshalb hatten immer weniger Deutsche Vertrauen in die großen bürgerlichen Parteien der
Weimarer Republik? Wie konnte es zu diesem judenfeindlichen und ausländerfeindlichen Hass in
der deutschen Bevölkerung kommen, der erst den Holocaust und den Krieg möglich machte? Zu
berücksichtigen sind auch Einflüsse und Verhalten von Menschen und Regierungen außerhalb
der Deutschen, die diese Entwicklung begünstigten, ohne die Hauptverantwortung des deutschen
Volkes in Frage zu stellen.

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