Chantal von Friedl,  Wolfgang, Granzner,  Martin

Chantal

Texte aus Afrika

Martin Granzner, geboren 1949 in Attersee/Oberösterreich, verstarb am 27. März 2009 in Mettmach/Oberösterreich an einer chronischen Herzerkrankung. Sie wurde von den Ärzten als Folge der vielen durchlittenen Tropenkrankheiten angesehen.
Im Zeitraum von 1986 bis 2008 arbeitete Granzner in Ruanda, Burundi und Burkina Faso als Entwicklungshelfer im Agrarbereich. In seinem literarischen Werk, 16 Theaterstücken und einem Roman, setzt er sich unter anderem mit der Zeitgeschichte dieses Raums auseinander.
Die von ihm dargestellten Monstrositäten sind für den Leser oft schwer erträglich, teilweise werden sie wohl auch als politisch inkorrekt empfunden. Doch wie kann man überhaupt über diese Ereignisse schreiben? Über das, was als „Afrikanischer Weltkrieg“ bezeichnet wird? Wo unter Beteiligung Dutzender, auch europäischer, Staaten ein Krieg geführt wurde, der 6 Millionen Tote forderte? Verharmlost man – im Interesse der afrikanischen Eliten und der Entwicklungsindustrie? Übertreibt man – aus Sensationslust? Relativiert man – um Schuldzuweisungen abzuwehren oder auch vorzunehmen?
Es wird immer der subjektive Zugang des einzelnen Autors, der einzelnen Autorin sein, innerhalb dessen diese Fragen entschieden werden. Jede Entscheidung zieht dabei einen dynamischen Prozess nach sich, der mit reflektiert und abgewogen werden muss.
Nur indem man dieses Wagnis unternimmt, kann man die Chance eröffnen, das völlige Unverständnis zu überwinden. Martin Granzner hat eben dies versucht. Selbstkritisch erwägt er seine Möglichkeiten, sich einer Wahrheit in all dem Durcheinander anzunähern:
„Jetzt, wo ich die krude Maniemageschichte Hubs aufgezeichnet und wieder durchgelesen habe, muss ich feststellen, dass ich sehr oft Indikativ und Konjunktiv und was weiß ich vermengt habe. Was hat das zu bedeuten? Wahrscheinlich ist es ein Zeichen meines Misstrauens in die Wahrheit und Tatsächlichkeit der mir von Hub mitgeteilten Ereignisse und der Stichhaltigkeit meiner Interpretation des Gehörten. Wahrscheinlich ist das infernalische Durcheinander auch darauf zurückzuführen, dass ich, noch immer, durch Hubs verwirrten Erzählstil beeinflusst war, bin.
Ich will die Geschichte, so wie sie ist, in dieser verrückten Sprache, in dieser schmerzhaften Grammatik, stehen lassen als ein Gleichnis, eine Parabel, als ein großes Gleichnis. Ein Gleichnis für was? Ich weiß es nicht genau, – wie auch? Ich weiß es nicht! Ist diese verdammte Geschichte ein Gleichnis meiner persönlichen Unzulänglichkeit, eines bereits manifesten Säuferwahnsinns? Ist sie ein Gleichnis der Schlechtigkeit Hubernigs? Oder ist sie eine Allegorie für die Verworrenheit Afrikas, für die Verworrenheit des Verhältnisses Afrikas mit der westlichen Zivilisation und Kultur? Ist sie ein Gleichnis für die Abgründigkeit der Welt selbst? – Ein Gleichnis ist sie, vielleicht, für das Teuflische in Gott. Ein Gleichnis ist sie, vielleicht, für das Göttliche im Menschen.
Ein Gleichnis ist ein Geheimnis, doch das Geheimnis beinhaltet die Wirklichkeit; sie gilt es zu erraten. Heute jedoch, und vielleicht noch länger, will ich mich damit begnügen nicht zu raten, nicht hineinzugreifen in die Finsternis, denn ich könnte auch die falsche Wirklichkeit, den tödlich falschen Schluss ans Tageslicht ziehen. Nein, ich will, dass die Wahrheit unangetastet bleibt, heilig; nein, ich will, dass einmal jemand, ein Engel, die Wahrheit darstellen kann wie ein chemisch reines Element, wie eine mathematische Formel, wie die endgültige Harmonie der Klänge. Die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit wäre der Stein der Weisen, das „Sesam-öffne-dich“.
Ich kann die Wahrheit nicht finden, bin dazu nicht in der Lage. – Mist. Habt Erbarmen mit mir. – Habt Erbarmen!“
Kurz vor Weihnachten 2003 wurde Martin Granzner auf einer abendlichen Autofahrt vom Tanganyikasee nach Bujumbura von einem besonders schweren Malariaanfall erfasst. Er schaffte es noch nach Hause, wo kurz nach seiner Ankunft ein starkes Gefecht in der unmittelbaren Umgebung einsetzte. Die Kämpfe dauerten die ganze Nacht an. Er verbrachte die Nacht im geschütztesten Teil des mehrfach beschossenen Hauses, dem WC, stehend, fiebernd. Dieses Ereignis war der eigentliche Ausgangspunkt seiner chronisch werdenden Herzerkrankung. Er wurde somit – zumindest indirekt – ein Opfer jener Zustände, die er in großer Eindringlichkeit beschrieben hat.
Die monologischen Erzählungen dieses Buches sind Auszüge aus dem noch unpublizierten Roman „Schick“ von Martin Granzner. Daran angefügt habe ich das gut lesbare Theaterstück „Esporia“, in dem die Dynamik der thematisierten Ereignisse besonders deutlich und leichter fassbar zum Ausdruck kommt.

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