Zeitschrift AM ERKER
Heft 76: Vergessen und verkannt
Das Vergessen hat keinen allzu guten Ruf, das Erinnern schon. Doch das eine ist nur die Kehrseite des anderen. Unser Speicher ist begrenzt. Die Menschheit ist gezwungen, von Zeit zu Zeit ihr kulturelles Erbe zu sichten. Sie schickt Disney-Filmrollen ins All, wobei zu hoffen ist, dass Außerirdische die gezeichneten Figuren nicht für Porträts der Erdbevölkerung halten, oder sie feiert fünfzig Jahre 1968.
Was ist uns wichtig genug, erhalten zu werden? Was ist – um mit Mephisto zu sprechen – „wert, dass es zugrunde geht“? Wo etwa wäre unsere Generation ohne die Schallplatte oder den Kassettenrekorder, doch wer vermisst die Minidisc? Wer braucht das Wort ‚Wäschemangel‘, seit wir das Wort ‚Bügeleisen‘ haben? Wer will Erwin Guido Kolbenheyer, wenn er Friedo Lampe lesen kann?
Die 76. Ausgabe der Zeitschrift AM ERKER versteht sich als Entscheidungshilfe und präsentiert Texte über obskure Worte oder Dinge, die zu Unrecht aus dem Gedächtnis gefallen sind, über Menschen, die uns so wichtig waren, dass auch andere sie kennen sollten, über Autoren, die vor dem literarischen Verschwinden bewahrt werden müssen, oder – vice versa – um kämpferische Plädoyers für das Vergessen.