Nationalstaatliche Grenzen waren für die Gesellschaften des Zentralbalkans Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Erfahrung. Als ab 1878 nach annähernd fünfhundert Jahren osmanischer Herrschaft Grenzen gezogen wurden, manifestierte sich das Neue der nun nationalstaatlich gefassten Herrschaftsordnungen in den Diskursen, Imaginationen und Praktiken der Grenzziehungen. Vormalige Zentren osmanischer Regionen wurden mit einem Mal zu Randgebieten, die zwischen den neuen Nationalstaaten heftig umstritten waren.
Nenad Stefanov untersucht anhand der Landschaft um die Städte Pirot und Dimitrovgrad (Caribrod), wie sich eine spätosmanische Region in die Peripherie zweier Nationalstaaten (Bulgarien und Serbien) verwandelte. Die Herausbildung der neuen Form von Territorialität, die sich in der Grenze manifestierte, war ausgesprochen konfliktreich und führte zwischen 1885 und 1945 zu nicht weniger als vier Kriegen zwischen Serbien (bzw. Jugoslawien) und Bulgarien. Im Zentrum der Studie steht jedoch weniger die Konfliktgeschichte zweier Staaten als vielmehr die lokale Gesellschaft und deren Umgang mit der neuartigen Barriere. Über einen Zeitraum von rund 150 Jahren – von der Zeit der Reformen im Osmanischen Reich in den 1850er Jahren bis 1989 – wird analysiert, wie sich die Wechselbeziehung zwischen den Akteuren der Zentren und jenen der lokalen Gesellschaft gestaltete. Es wird gezeigt, wie sich gesellschaftliche und staatliche Grenzziehungen veränderten, wie die Menschen darauf reagierten und welche Formen von Eigensinn, aber auch Anpassungen sichtbar wurden.
Aktualisiert: 2020-05-11
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Bei der Suche nach den Ursachen für den gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens nach 1990 wird für gewöhnlich Intellektuellen eine besondere Rolle in der Mobilmachung für Krieg und Gewalt zugesprochen. Auch die Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste rückt dabei ins Blickfeld: Die Aktivitäten ihrer Mitglieder in den 1980er Jahren gelten als einer der Ausgangspunkte für die nationale Homogenisierung der serbischen Gesellschaft. Oft wird hier jedoch eine allzu bruchlose Linie einer sich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart erstreckenden Kontinuität nationaler Ideologie gezogen. Die Mitglieder der Akademie, die zugleich in den 1980er Jahren prominente Verfechter einer Re-Nationalisierung gesellschaftlicher Diskurse waren, werden in dieser Sichtweise als Hüter und Erben nationaler Projekte betrachtet.
Nenad Stefanovs Studie zur Serbischen Akademie der Wissenschaften fragt hingegen, wie sich im sozialistischen Jugoslawien die Vertreter der Bildungsschicht und damit auch ihre Konzepte von Nation und Gesellschaft verändert haben. Stefanov verfolgt dabei die Geschichte der Geisteswissenschaftlichen Abteilungen der Akademie und zeigt auf, wie in den Veränderungen der Begriffe, mit denen die Akademiemitglieder Nation und Gesellschaft definierten, die ambivalente Beziehung zwischen Wissenschaft und Nationalismus deutlich wird. Für ein besseres Verständnis der Krisendynamik und der Rolle der Intellektuellen im Jugoslawien der 1980er Jahre und danach wird hierbei der Frage nach den Formen von Anpassung und Dissens nicht-kommunistischer Intellektueller unter sozialistischer Herrschaft besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Aktualisiert: 2020-01-03
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Nationalstaatliche Grenzen waren für die Gesellschaften des Zentralbalkans Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Erfahrung. Als ab 1878 nach annähernd fünfhundert Jahren osmanischer Herrschaft Grenzen gezogen wurden, manifestierte sich das Neue der nun nationalstaatlich gefassten Herrschaftsordnungen in den Diskursen, Imaginationen und Praktiken der Grenzziehungen. Vormalige Zentren osmanischer Regionen wurden mit einem Mal zu Randgebieten, die zwischen den neuen Nationalstaaten heftig umstritten waren.
Nenad Stefanov untersucht anhand der Landschaft um die Städte Pirot und Dimitrovgrad (Caribrod), wie sich eine spätosmanische Region in die Peripherie zweier Nationalstaaten (Bulgarien und Serbien) verwandelte. Die Herausbildung der neuen Form von Territorialität, die sich in der Grenze manifestierte, war ausgesprochen konfliktreich und führte zwischen 1885 und 1945 zu nicht weniger als vier Kriegen zwischen Serbien (bzw. Jugoslawien) und Bulgarien. Im Zentrum der Studie steht jedoch weniger die Konfliktgeschichte zweier Staaten als vielmehr die lokale Gesellschaft und deren Umgang mit der neuartigen Barriere. Über einen Zeitraum von rund 150 Jahren – von der Zeit der Reformen im Osmanischen Reich in den 1850er Jahren bis 1989 – wird analysiert, wie sich die Wechselbeziehung zwischen den Akteuren der Zentren und jenen der lokalen Gesellschaft gestaltete. Es wird gezeigt, wie sich gesellschaftliche und staatliche Grenzziehungen veränderten, wie die Menschen darauf reagierten und welche Formen von Eigensinn, aber auch Anpassungen sichtbar wurden.
Aktualisiert: 2020-01-30
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Bei der Suche nach den Ursachen für den gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens nach 1990 wird für gewöhnlich Intellektuellen eine besondere Rolle in der Mobilmachung für Krieg und Gewalt zugesprochen. Auch die Serbische Akademie der Wissenschaften und Künste rückt dabei ins Blickfeld: Die Aktivitäten ihrer Mitglieder in den 1980er Jahren gelten als einer der Ausgangspunkte für die nationale Homogenisierung der serbischen Gesellschaft. Oft wird hier jedoch eine allzu bruchlose Linie einer sich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart erstreckenden Kontinuität nationaler Ideologie gezogen. Die Mitglieder der Akademie, die zugleich in den 1980er Jahren prominente Verfechter einer Re-Nationalisierung gesellschaftlicher Diskurse waren, werden in dieser Sichtweise als Hüter und Erben nationaler Projekte betrachtet.
Nenad Stefanovs Studie zur Serbischen Akademie der Wissenschaften fragt hingegen, wie sich im sozialistischen Jugoslawien die Vertreter der Bildungsschicht und damit auch ihre Konzepte von Nation und Gesellschaft verändert haben. Stefanov verfolgt dabei die Geschichte der Geisteswissenschaftlichen Abteilungen der Akademie und zeigt auf, wie in den Veränderungen der Begriffe, mit denen die Akademiemitglieder Nation und Gesellschaft definierten, die ambivalente Beziehung zwischen Wissenschaft und Nationalismus deutlich wird. Für ein besseres Verständnis der Krisendynamik und der Rolle der Intellektuellen im Jugoslawien der 1980er Jahre und danach wird hierbei der Frage nach den Formen von Anpassung und Dissens nicht-kommunistischer Intellektueller unter sozialistischer Herrschaft besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Aktualisiert: 2020-06-09
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