Der nationalsozialistische Kunstraub wirft bis heute seine Schatten über Europa. Er war integraler Bestandteil des Expansionsstrebens, der Kriegführung, der Besatzungs- und Vernichtungspolitik. Bis heute werden über 100 000 geraubte Kunstwerke vermißt. Das Ende des Ost-West-Konflikts hat Bewegung in die Suche nach geraubten Kunstwerken gebracht. Privatpersonen, Museen, Staaten geben Kunstwerke an die ursprünglichen Eigentümer zurück und suchen nach Wegen, das Problem der Raubkunst fair zu lösen.
Gleichzeitig machen Klagen die Runde, daß die Rückgabe von Kulturgütern, welche die Rote Armee nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland in die Sowjetunion gebracht hatte und die sich bis heute in Rußland befinden, zum Stillstand gekommen sei. "Die deutsche Beutekunstpolitik ist gescheitert!", lautet das Urteil. Rußland und Deutschland tragen einen offenen Konflikt über die Frage aus, wer Eigentümer dieser Kunstwerke ist. Die Bundesregierung spricht von 200 000 Kunstwerken und zwei Millionen Büchern, die sich widerrechtlich in Rußland befinden. Rußland betrachtet die Beutekunst hingegen als Kompensation für die von deutschen Truppen angerichteten Schäden im Zweiten Weltkrieg. Die Debatte hat seit Ende der 1990er Jahre eine Schärfe gewonnen, die sie zu Beginn des Jahrzehntes nicht hatte. Statt Linderung hat die Zeit Verhärtung gebracht. Grund genug, dieses widersprüchliche und schwierige Themenfeld der Raub- und Beutekunst systematisch auszuleuchten. Dem dient OSTEUROPA 1-2/2006 "Kunst im Konflikt. Kriegsfolgen und Kooperationsfelder in Europa". Der Band enthält 36 Fallstudien, Länderanalysen und Untersuchungen. Er hat 496 Seiten und 50, zum teil farbige Abbildungen.
Aus dem Inhalt des Osteuropa-Heftes 01-02/2006 "Kunst im Konflikt. Kriegsfolgen und Kooperationsfelder in Europa"
'Editorial:' Kunst im Konflikt – Konflikte um die Kunst, S. 5
'Regine Dehnel:' Die Täter, die Opfer und die Kunst. Rückblick auf den nationalsozialistischen Raubzug, S. 7
'Gabriele Freitag:' Angriff auf Athene. NS-Kulturraub im Zweiten Weltkrieg, S. 23
'Lucian Simmons, Isabel v. Klitzing:' Die Zerstörung einer Kultur. Von Sammlern und Mäzenen, S. 43
'Waltraud Bayer:' Der legitimierte Raub. Der Umgang mit Kunstschätzen in der UdSSR, 1917-1938, S. 55
'Wolfgang Eichwede:' Freundschaft ja, Dürer nein, S. 71
'Anja Heuß:' Verstreut nach West und Ost. Die drei Geschichten der Hatvany-Sammlung, S. 85
'Christian Hufen:' Sixtina auf Reisen. Die Rückgabe der Beutekunst an die DDR, S. 111
'Tim Schröder:' Rasender Stillstand. Das Schicksal des Rathenau-Archivs, S. 131
'Sabine Rudolph:' Von Nazis enteignet, bis heute in Rußland. Victor von Klemperers Inkunabeln-Sammlung, S. 141
'Monika Tatzkow, Hans Joachim Hinz:' Bürger, Opfer und die historische Gerechtigkeit. Das Schicksal jüdischer Kunstsammler in Breslau, S. 155
'Monika Tatzkow:' Odyssee einer Kunst. Die Restitution der Sammlung Steinthal, S. 173
'Nout van Woudenberg:' Die Koenigs-Sammlung. Bangen und Hoffen in einem niederländischen Restitutionsfall, S. 179
'Ekaterina Genieva:' Von Büchern und Menschen, S. 193
'Bénédicte Savoy:' Krieg, Wissenschaft und Recht. Napoleons Kunstraub in der deutschen Erinnerung um 1915, S. 205
'Andreas Hüneke:' Verhöhnt - verkauft – vernichtet. Die "Entartete Kunst" und die Radikalisierung der NS-Kunstpolitik, S. 223
'Eva Blimlinger:' Mittäter als Opfer. Die Restitution in Österreich, S. 235
'Mecislav Borák:' Verspätete Gerechtigkeit. Die Restitution von enteignetem Kulturgut in Tschechien, S. 247
'Nawojka Cieslinska-Lobkowicz:' Gründe, Abgründe, Ansprüche. Restitutionspolitik in Polen, S. 263
'Serhij Kot:' Kiever Knoten. Restitution zwischen der Ukraine, Deutschland, Rußland und Polen, S. 287
'Svetlana Nekrasova:' Kooperation und ihre Grenzen. Restitution zwischen Rußland und der Ukraine, S. 301
'Kathinka Dittrich:' "Unsere Regierungen waren nicht begeistert", S. 311
'Avenir Ovsjanov:' Transitstation Königsberg. Die Suche nach Kulturgütern in Kaliningrad, S. 315
'Margarita Zinich:' Zwischen den Zonen. Restitution von Kulturgut an Rußland, S. 323
'Maarit Hakkarainen, Tiina Koivulati:' Raubkunst im dunklen. Die Mühen der Provenienzforschung in Finnland, S. 329
'Teresa Giovannini u.a.:' Raubkunst und die Schweiz. Aufarbeitung, Regelung, Ausblick, S. 341
'Massimo Baistrocchi:' Auf der Suche nach der verlorenen Kunst. Italien, die Restitution und Kulturgüter in Rußland, S. 355
'Christoff Jenschke:' In Kriegen erbeutet. Zur Rückgabe geraubter Kulturgüter im Völkerrecht, S. 361
'Harald König:' Grundlagen der Restitution. Das deutsche Wiedergutmachungsrecht, S. 371
'Claudia von Selle, Ulrich Zschunke:' Ein Weg, wo kein Wille ist? "Soft law"-Vereinbarungen als nichtstaatliche Konfliktlösung in Restitutionsfällen, S. 383
'Rochelle Roca-Hachem:' Internationale Bühne. Die Rolle der UNESCO auf dem Feld der Restitution, S. 393
'Michael Franz, Uwe Hartmann:' Raub- und Beutekunst: nationale und internationale Dimensionen. Die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, S. 401
'Evelien Campfens, Annemarie Marck, Elke Muller:' Recht auf Umwegen. Die niederländische Restitutionskommission, S. 415
'Lucien Kalfon:' Entschädigung in Frankreich, S. 433
'Corinne Hershkovitch:' Offene Rechnungen. Die Restitution von Kunstwerken in Frankreich, S. 441
'Andrea F.G. Raschèr:' Profitieren, schweigen, handeln. Raubkunst und die Schweiz, S. 447
'Kristiane Janeke:' (Ko-)Operation Kunst-Räume. Plädoyer für ein virtuelles "Beutekunst"-Museum, S. 459