Vom alten und neuen Mecklenburg

Vom alten und neuen Mecklenburg von Bernitt,  Hans
Hans Bernitt (1899 – 1954), Lehrer und Schriftsteller, … Lehrbeauftragter für Geschichte an der Universität Rostock. Nach fast 50 Jahren ist seine Sicht auf Mecklenburgs Geschichte wieder bemerkenswert. Leseprobe Als Brüel Bahnstation werden sollte Das mecklenburgische Eisenbahnnetz ist nicht nach einem einheitlichen Plane angelegt worden. Vielmehr baute man erst ein Endchen, dann wieder eins, und so ging es fort. Der Anstoß kam überhaupt von außen her. Preußen erbaute die Bahnstrecke Berlin – Hamburg und führte sie durch die Südwestecke Mecklenburgs. Die mecklenburgische Teilstrecke der Preußenbahn wurde im Jahre 1846 dem Verkehr übergeben. Als das geschehen war, handelte es sich zunächst darum, dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin für seine Residenz ebenfalls die Vorteile einer Bahnverbindung zu verschaffen. Man mußte den Wünschen Seiner Königlichen Hoheit entgegenkommen, ging also daran, eine Anschlußlinie an die vorhandene Bahn von Hagenow-Land nach Schwerin zu errichten. Sie konnte am 1. Mai 1847 eröffnet werden. Dann verband man im Jahre 1848 aus wirtschaftlichen Interessen die Stadt Schwerin mit dem Hafenort Wismar. Die neue Strecke wurde am 12. Juli des Revolutionsjahres in Betrieb genommen. Beim Bau einer jeden Linie ergaben sich erhebliche Schwierigkeiten, die nicht nur technischer Art waren. Auch das Verhalten einiger Gemeinden und mancher bodenbesitzender Einzelpersonen war nicht dazu angetan, den Bahnbau zu fördern. Dasselbe war der Fall, als man in den Jahren 1849/50 wieder ein Stück Bahn in Angriff nahm. Man wollte von der Strecke Schwerin – Wismar in Kleinen abzweigen und eine Linie über Bützow nach Rostock bauen, zugleich mit einer Anschlußstrecke von Bützow nach Güstrow. Die geplante Bahn war ohne Zweifel wichtig, denn dadurch sollte Rostock, die größte Stadt des Landes, Verbindung mit dem übrigen Deutschland erhalten. Als man überlegte, wie die Bahnlinie zwischen Kleinen und Bützow am günstigsten geführt werden könnte, stieß man auf das Städtchen Brüel. Es lag ganz in der Nähe der kürzesten Streckenführung. Daher erwogen die Fachleute, ob man dem Orte Bahnverbindung geben, also die Strecke an die Stadt hinanleiten solle. Das war eine Gelegenheit für Brüel, die es auszunutzen gegolten hätte. Aber die damaligen Brüeler und besonders die tonangebenden Besitzbürger hatten Hemmungen. Eine Eisenbahn sei gefährlich, meinten sie, und könne wer weiß was anrichten. Also wollten sie so etwas um keinen Preis in Brüel haben. Man war damals in dem abgelegenen Landstädtchen so sehr in alten und längst überholten Vorurteilen befangen, daß man gar nicht merkte, wie sehr man sich damit lächerlich machte. Es war umsonst, daß Sachverständige und höhere Dienststellen den Brüeler Honoratioren klarzumachen versuchten, welchen wirtschaftlichen Nutzen die Stadt und welche persönlichen Annehmlichkeiten die Einwohner von der Eisenbahn haben würden. Die Stadtgewaltigen wollten einfach nicht. Sie blieben bei ihrem entschiedenen “Nein” und ließen sich durch keine Vernunftgründe davon abbringen. Im Gegenteil, sie waren noch stolz auf ihre Sturheit, in keiner Weise vom Althergebrachten abzuweichen. So gab es für die Erbauer, wenn sie weitere Schwierigkeiten vermeiden wollten, nur die Möglichkeit, die Bahnstrecke anderswohin zu legen. Sie führten die Linie derart an Brüel vorbei, daß sie eine ganze Meile von der Stadt entfernt blieb. Auf solche Weise kam das kleine Dorf Blankenberg dazu, anstatt von Brüel Haltestelle zu werden und in späterer Zeit sogar zu einer wichtigen Umsteigestelle aufzurücken. Am 13. Mai 1850 fuhr der erste Zug auf der neuen Strecke. Doch die Brüeler Bürger rührte das nicht. Sie waren froh, von der neumodischen Einrichtung verschont geblieben zu sein dank der neunmalweisen Einsicht ihrer Stadtväter. Sie wollten in der Anfangszeit auch von Blankenberg aus nicht mit der Bahn fahren. Es wird berichtet, daß Brüeler Einwohner, als sie den Zug nur von weitem sahen, ob solcher frevelhaften Neuerung voller Angst das Hasenpanier ergriffen. 37 Jahre sollten vergehen, bis die Stadt Brüel wiederum Gelegenheit bekam, Eisenbahnstation zu werden. Diesmal handelte es sich nicht um eine Hauptstrecke wie 1850, sondern nur um eine Nebenlinie. Man projektierte nämlich im Jahre 1887 den Bau der Bahnlinie Wismar – Karow. Nun hatte sich sonst im Lande schon manches in bezug auf veraltete Anschauungen geändert, denn man befand sich bereits an der Schwelle des monopolkapitalistischen Zeitalters. Jedoch in Brüel als einer der dunkelsten Ecken des Junkerstaates Mecklenburg hielt noch ein Teil der Kleinbürger wie der Stadtoberen steif an den rückständigen Gedankengängen von Anno dazumal fest. Man suchte daher auch den neuerlichen Plan zu hintertreiben. Dabei wurden die sonderbarsten Beweisgründe ersonnen. Vor allem führte man in der Kleinstadtöffentlichkeit als Gegenargument das Rindvieh an. Die Kühe, der ganze Stolz der Brüeler Viehhalter, sollten angeblich durch die Eisenbahn Schaden nehmen. Wie leicht könnten sie überfahren oder zumindest durch herankommende Züge wild gemacht werden! Und wer sollte sie dann wieder einfangen? Nein, lieber wollte man auf alle Verkehrsmöglichkeiten verzichten. Aber es nützte diesmal nicht mehr. Der technische Fortschritt war auch von den Brüeler Kuhbesitzern nicht aufzuhalten. Ob sie wollten oder nicht, Eingaben schrieben oder grobe Reden gegen die “neue Zeit” hielten: der Bau der Eisenbahnlinie kam zustande, und Brüel wurde Bahnstation. Inzwischen haben sich die Brüeler daran gewöhnt. Heute kann man sich in dem Städtchen kaum mehr die Bahn fortdenken. Und – was sich nicht leugnen läßt – das Rindvieh grast dort nach wie vor.
Aktualisiert: 2019-05-22
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