Kopplung von regenerativer Energiegewinnung mit innovativer Stadtentwässerung

Kopplung von regenerativer Energiegewinnung mit innovativer Stadtentwässerung von Bauhaus-Universität Weimar Professur Siedlungswasserwirtschaft, Giese,  Thomas, Londong,  Jörg
KREIS ist ein transdisziplinäres Forschungsprojekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Mit KREIS wurden innovative Konzepte und Verfahren für die Versorgung und Entsorgung urbaner Räume am Beispiel einer konkreten Umsetzung des HAMBURG WATER Cycle® (HWC) weiterentwickelt und erforscht. KREIS ist die Abkürzung für „Kopplung von regenerativer Energiegewinnung mit innovativer Stadtentwässerung“ und bedeutet sinngemäß, dass untersucht wird, unter welchen Rahmenbedingungen zur Deckung des Strom– und Wärmebedarfs eines Stadtquartiers die hier anfallenden (Ab)Wässer und Bioressourcen in Verbindung mit weiteren regenerativen Energiequellen genutzt werden können. Konzeptuelle Grundlage des HWC ist die getrennte Erfassung, Sammlung, Behandlung und Nutzung der Abwasserteilströme Schwarzwasser, Grauwasser und Niederschlagswasser. Schwarzwasser eignet sich aufgrund seiner hohen Konzentration an organischen Stoffen für eine Vergärung und somit für die Produktion von Biogas. Weitere Bioressourcen, wie z.B. Fette, Speisereste, Rasenschnitt oder Fraktionen davon können in der Vergärungsanlage für Schwarzwasser mitbehandelt werden und liefern zusätzlich Wärme und Strom. Der Strom kann in das öffentliche Netz eingespeist werden; ein Teil der Wärme wird für die Temperierung der Vergärungsanlage verwendet, der Wärmeüberschuss kann zur Nutzung im Stadtquartier zur Verfügung stehen. Grauwasser soll mit energieschonenden Verfahren gereinigt und in die Umwelt zurückgeführt werden. Die direkte Einleitung des behandelten Grauwassers in ein urbanes Gewässer hat Vorteile, auch eine anderweitige Nutzung (z.B. als Spülwasser für die Toiletten) ist möglich. Das Niederschlagswasser wird naturnah und vor Ort bewirtschaftet. Da Unterdrucktoiletten andere Geräusche machen als die allseits bekannten Spültoiletten, wurden diese anhand von Schalluntersuchungen bewertet. Es ist bekannt, dass Inkrustationen in Unterdrucksystemen auftreten können. Für Schwarzwasser lagen bisher nur wenige Erfahrungen vor. Daher wurde die Unterdruckentwässerung für Schwarzwasser eingehend untersucht. Insbesondere aus dem Demonstrationsprojekt Flintenbreite ist bekannt, dass die Einbauhinweise der Unterdruckentwässerungsanlagen im Gebäude einen signifikanten Einfluss auf die Geräuschbelastung hat. Daher wurden hierzu und zum Betrieb der Anlagen Empfehlungen erarbeitet und publiziert. Die Mechanismen der Bildung von Ablagerungen in Unterdruckentwässerungssystemen zur Schwarzwasserableitung sind identifiziert und Möglichkeiten zur Verhinderung bzw. Beseitigung sind erarbeitet worden. Die Verfügbarkeit von Bioressourcen im Umfeld des Stadtquartiers wurde erhoben, das Potenzial für die Nutzung lokaler Ressourcen zur gemeinsamen Vergärung mit dem Schwarzwasser wurde ermittelt. Rasenschnitt und Fettwasser, die in unmittelbarer Nähe zum Stadtquartier gesammelt werden können, sind als Co-Substrate in der Schwarzwasservergärung geeignet. Deren Vor- und Mitbehandlungsoptionen wurden erprobt und beschrieben. Ziel der Behandlung der Stoffströme ist es, Wertstoffe zu gewinnen und Schadstoffe zu entfernen. Kernforschungsfrage war: Auf Basis der im Verbundforschungsprojekt KREIS gewonnen Kenntnisse zu Anfallmengen und der Zusammensetzung der Teilströme konnten technische Verfahren zur Stoffstrombehandlung im Vorfeld der Umsetzung in der Jenfelder Au entwickelt und angepasst werden. Zur Charakterisierung von Grauwasser wurden Probenahmekampagnen durchgeführt. Versuche zur Aufbereitung der im Umfeld des Stadtquartiers identifizierten Bioressourcen und die Auslegung der anaeroben Behandlung von Bioressourcen und Schwarzwasser machten die Dimensionierung der Anaerobanlage in der Jenfelder Au möglich. Da die später hier produzierten Gärreste einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden sollen, waren die Untersuchung der Arzneimittelelimination aus dem Schwarzwasser während der anaeroben Behandlung und die P-Rückgewinnung aus Gärresten Projektziele. Die anaerobe Schwarzwasserbehandlung mit und ohne Co-Substrat konnte stabil betrieben werden. Zu untersuchende Arzneimittel wurden nach ihrer Relevanz ausgewählt. Die Abbauversuche zeigen Unterschiede im Verhalten je nach Reaktorsystem, Substratmischung und Raumbelastung. Auf Basis der Ergebnisse konnte ein neues Behandlungsdesign für die Betriebsphase abgeleitet werden. Die Verfahren zur Gärrestaufbereitung wurden aus den möglichen Verwertungspfaden abgeleitet. Ein umfassendes Konzept zum Umgang mit den bei der Vergärung anfallenden Gärresten wurde erarbeitet und Optionen für die Umsetzung aufgezeigt. Für die Betrachtungen in KREIS wurden 3 Systeme definiert: Als Referenzsystem wurde ein konventionelles Infrastruktursystem mit einer Schwerkraftentwässerung im Trennsystem zu einer zentralen Kläranlage und einer Anbindung an ein Erdgassystem verwendet. Das zu realisierende System am Standort Jenfelder Au (System 2) und ein weitergehendes System, das die im Rahmen des KREIS-Projektes untersuchten und entwickelten Komponenten im Maßstab Jenfelder Au (System 3) berücksichtigt, dienten zum Vergleich. Bei System 2 wurde davon ausgegangen, dass alle Gebäude über ein Nahwärmenetz an einen zentralen Wärmespeicher angeschlossen sind. Dieser wird mit Mikrogasturbinen, einem Blockheizkraftwerk und zwei Spitzenlastkesseln beladen. In System 3 wird teilweise mit einem konventionellen Nahwärmenetz und zentralem Wärmespeicher, der von zwei Mikrogasturbinen, einem Spitzenlastkessel und dezentralen Sonnenkollektoren beladen wird, und Teilgebiet mit einem kalten Nahwärmenetz mit dezentralen Wärmepumpen mit Grundwasser als Wärmequelle und dezentrale Sonnenkollektoren. Ein Teil des Strombedarfs wird über PV-Module gedeckt, die über das gesamte Wohngebiet verteilt sind. Für die energetische Gesamtkonzeption von Stadtquartieren wurde ein Modell entwickelt, mit dem die zeitlichen Verläufe von Energiebedarf und -angebot dynamisch simuliert und optimale Konfigurationen und Betriebsweisen einzelner Komponenten im Verbund für das Stadtquartier Jenfelder Au aufgezeigt wurden. Hierbei wurden primär das energetische sowie primärenergetische Verhalten von verschiedenen ausgewählten Energieversorgungskonzepten berücksichtigt. Der Vergleich der oben beschriebenen Systeme ergab, dass beim Referenzsystem der höchste Primärenergiebedarf besteht. Beim in der Jenfelder Au realisierten System können etwa 22 % der Primärenergie eingespart werden. Das in KREIS optimierte System würde zu über 50% Einsparung des Primärenergiebedarfes gegenüber dem realisierten Konzept führen. Die Umsetzung des HWC im Stadtquartier Jenfelder Au wurde in KREIS aus ökonomischer Sicht analysiert, um die Potenziale für die künftige Anwendung des Konzeptes zu identifizieren. Je nach Fragestellung wurden zur Beurteilung und zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit die Kapitalwertmethode, die Kosten-Nutzen-Analyse und die Nutzwertanalyse verwendet. Mithilfe eines ökonomischen Bewertungs- und Entscheidungsmodells wurden außerdem verschiedene zentrale und dezentrale Infrastruktursysteme für die Ver- und Entsorgung urbaner Räume verglichen. Anhand der Modellrechnungen auf Basis der bei der späteren Umsetzung des HWC-Konzeptes in der Jenfelder Au sollen der Einfluss der Dezentralität untersucht und kostenrelevante Größen identifiziert werden. Durch Variation der Größe des Projektgebietes kann die Wirtschaftlichkeit für verschiedene Projektgebietsgrößen ermittelt werden. Anhand dieser Untersuchungen wird das optimale Maß der Dezentralität in Bezug auf die Größe abgeleitet werden können. Die ökologische Bewertung des HWC sowie der Vergleich mit anderen Infrastruktursystemen wurden durch Bilanzierung von negativen ökologischen Auswirkungen und positiven ökologischen Auswirkungen möglich. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass alle untersuchten Systeme, in denen eine innovative Stadtteilentwässerung mit regenerativer Energieerzeugung gekoppelt wird, bezüglich der untersuchten ökologischen Wirkungskategorien vorteilhaft im Vergleich zum konventionellen System sind. Im Unterschied zu den sich global oder zumindest überregional auswirkenden Emissionen stehen die lokalen Umwelteinwirkungen, welche von den betrachteten Systemvarianten und -prozessen emittiert werden. Diese führen potenziell zu Belastungen der lokalen Bevölkerung und der lokalen Ökosysteme. Relevante Faktoren treten in Form von Geräuschen und Gerüchen auf. Die konkreten Emissionsorte lokaler Umweltwirkungen sind Unterdrucktoiletten, das Unterdrucksystem, Küchenabfallzerkleinerer und die Vergärungsanlage mit BHKW bzw. Mikrogasturbine auf dem Betriebsgelände. In der Betriebsphase werden Messungen zu den lokalen Umweltwirkungen nach dem in KREIS festgelegten Konzepten und Methoden erfolgen. Bislang ist nur wenig darüber bekannt, ob und wie sich neue Technikangebote auf die Wassernutzung in den Haushalten auswirken und welche Akzeptanz sie finden. Welche Veränderungen sich im Nutzerverhalten ergeben können, soll in der Betriebsphase über eine umfassende sozio-empirische Befragung herausgefunden werden. Bei der Umsetzung des HWC waren auch organisatorische und institutionelle Fragen zu beachten und vorzubereiten. In KREIS wurde ermittelt, welcher Koordinationsbedarf bei der Umsetzung und beim Betrieb auf der Quartiersebene zu erwarten ist. Ein frühzeitiges Kooperationsmanagement ist erforderlich. Mit KREIS wurden die Grundlagen für die Bilanzierung und Bewertung sowohl des im Bauprojekt realisierten HWC als auch der im Forschungsprojekt KREIS entwickelten Systeme geschaffen. Mit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit in Form von Ausstellungen, Plakaten, Fachaufsätzen in nationalen und internationalen Zeitschriften, Vorträgen bei nationalen und internationalen Konferenzen sowie Internetauftritten wurde eine hohe Bekanntheit des Projektes geschaffen.
Aktualisiert: 2022-10-27
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