Ökonomie und Gesellschaft / Nachhaltigkeit in der ökonomischen Theorie

Ökonomie und Gesellschaft / Nachhaltigkeit in der ökonomischen Theorie von Gerlach,  Knut, Gijsel,  Peter de, Glombowski,  Jörg, Haslinger,  Franz, Kalmbach,  Peter, Nutzinger,  Hans G, Riese,  Hajo, Rothschild,  Kurt W, Schmid-Schönbein,  Thomas, Schneider,  Johannes, Vogt,  Winfried, Wagener,  Hans-Jürgen, Weise,  Peter, Wittmann,  Ulrich
Inhalt Günter Vornholz: Die neue Sicht der Nachhaltigkeit und die neoklassische Ressourcen- und Umweltökonomie Hans G. Nutzinger: Nachhaltigkeit und Standardökonomik: komplementär oder substitutiv? Sylvie Geisendorf: Die Umweltökonomische Gesamtrechnung als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik Rudi Kurz: Unternehmen und nachhaltige Entwicklung Jürgen Freimann: Umweltmanagement zwischen staatlicher Regulierung und Eigeninitiative Achim Lerch: Verfügungsrechte und Umwelt. Zur Verbindung von Ökologischer Ökonomie und ökonomischer Theorie der Verfügungsrechte Silke Gronemann und Ulrich Hampicke: Die Monetarisierung der Natur - Möglichkeiten, Grenzen und Methoden Jürgen Meyerhoff: Ökonomische Bewertung biologischer Vielfalt - aufgezeigt an der Kosten-Nutzen-Analyse der Bundesverkehrswegeplanung Michael Finus: Eine spieltheoretische Betrachtung internationaler Umweltprobleme. Eine Einführung Peter Michaelis: Effiziente schadstoffübergreifende Klimapolitik: Eine empirische Modellsimulation Editorial Die Beiträge des vorliegenden Jahrbuchs "Ökonomie und Gesellschaft" befassen sich in unterschiedlicher Weise und auf unterschiedlichen Ebenen mit einem Problemkreis, der in der allgemeinen Diskussion als "Umweltproblematik" oder "Ökologieproblematik" bezeichnet wird. Dabei werden diese Begriffe zum einen manchmal nahezu gleichbedeutend verwendet, mitunter wird damit aber auch eine begriffliche Unterscheidung angedeutet, der zufolge mit "Umwelt" die Vorstellung verbunden ist, daß das überkommene volks- und betriebswirtschaftliche Instrumentarium mehr oder weniger unverändert auf ein neues Gebiet - eben die Umwelt - angewendet und dementsprechend weiterentwickelt wird, während dem Begriff "Ökologie" bisweilen die Idee zugrunde liegt, es müßten grundsätzlich neue Analyseverfahren, Methoden und Instrumente jenseits traditioneller Ökonomik entwickelt und implementiert werden, um der fundamentalen Bedeutung der Natur als unverzichtbare Lebensgrundlage für heutige und künftige Generationen gerecht zu werden. Wie die meisten Beiträge des vorliegenden Bandes allerdings zeigen, hat sich in den letzten zehn Jahren jenseits ideologischer Grundsatzdispute eine gewisse Annäherung der Sichtweisen ergeben. Neoklassisch orientierte Umwelt- und Ressourcenökonomen akzeptieren zunehmend, daß das gewohnte ökonomische Instrumentarium der Modifikation und Weiterentwicklung bedarf, um den Spezifika der ökologischen Problematik mindestes ansatzweise gerecht zu werden, während umgekehrt ökologische Ökonomen in steigendem Maße Verfahren und Ergebnisse der "Mainstream Economics" übernommen und auf die spezifische ökologische Problematik hin weiterentwickelt haben. Der einleitende Beitrag von Günter Vornholz (Hannover) über "Die neue Sicht der Nachhaltigkeit und die neoklassische Ressourcen- und Umweltökonomie" betont zunächst einmal die Differenz zwischen traditioneller Umweltökonomik und der "neuen Sicht der Nachhaltigkeit", die vor allem die seit Ende der 80er Jahre entstandene "Ökologische Ökonomie" (Ecological Economics) in die Diskussion eingebracht hat. Im Anschluß an Herman Daly (1992) kann man vor allem die Betonung des "Ausmaßes" (scale) ökonomischer Aktivitäten als das Spezifische der Ökologischen Ökonomie betrachten, da hierbei die physischen Grenzen menschlicher Aktivitäten als gesonderte Problematik in das Blickfeld kommen und nicht einfach, wie in der traditionellen Neoklassik, als Problem zunehmender (Schatten-)Preise infolge des Erreichens natürlicher Beschränkungen behandelt werden. Vornholz diskutiert in seinem Beitrag zunächst verschiedene Konzepte von "Nachhaltigkeit", bevor er das von der Brundtland-Kommission 1987 definierte Leitbild der nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) einer eingehenden Erörterung unterzieht. Dabei werden nicht nur die bereits in der Literatur der letzten zehn Jahre ausgiebig diskutierten konzeptionellen Fragen beleuchtet, sondern es wird darüber hinaus auch der Beitrag der Technik zur Umsetzung dieses Leitbildes in der heutigen Welt untersucht, Der Autor erörtert sowohl Chancen als auch Grenzen und Probleme technischen Fortschritts bei der Umsetzung des Nachhaltigkeits-Leitbildes, wobei auch institutionelle Hemmnisse und eingefahrene ökologieschädliche Verhaltensmuster der Menschen in Betracht gezogen werden. Bei dem Vergleich der traditionellen neoklassischen Ressourcen- und Umweltökonomie betont Vornholz nochmals die Grenzen der "Mainstream Economics" aber auch seine Ausführungen machen deutlich, daß an die Stelle der ursprünglich scharfen Frontstellung mit zunehmender Entwicklung des Gebiets, insbesondere auch durch das Bestreben, zur Lösung konkreter Probleme beizutragen, eine weitgehende Annäherung der zunächst recht konträren Standpunkte getreten ist. Es kann auch durchaus sein, daß manche der von der Ökologischen Ökonomie noch kritisch angemahnten Fragen - sie betreffen insbesondere das bereits erwähnte Konzept des "Ausmaßes" (scale) und das Problem der intra- und intergenerationalen Gerechtigkeit - in Zukunft stärker als heute auch mit Methoden und Begrifflichkeiten traditioneller Ökonomik untersucht werden. Auf diese in den letzten Jahren stärker gewordenen Beziehungen zwischen "Ökologischer Ökonomie" und heute nicht mehr so traditioneller "Umweltökonomie" verweist Hans G. Nutzinger (Kassel) in seinem Kommentar. Von der Ebene konzeptioneller Klärung bis zu den Möglichkeiten statistischer Erfassung der Ökologie- bzw. Umweltproblematik im Rahmen einer erweiterten "Umweltökonomischen Gesamtrechnung" ist es allerdings ein weiter Schritt. Sylvie Geisendorf (Kassel) untersucht in ihrem Beitrag "Die Umweltökonomische Gesamtrechnung als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik" zunächst einmal die vielfältigen Probleme, welche die mangelnde Berücksichtigung des Naturverbrauchs in der traditionellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung hervorgerufen hat und noch immer hervorruft. Sie widmet sich dabei zunächst der Frage, warum das traditionell gemessene Bruttosozialprodukt die Umweltzerstörung nicht (korrekt) abbildet; in erster Annäherung kann man diese Gründe dahingehend klassifizieren, daß sie zum einen auf der fehlenden Bilanzierung des Naturverbrauchs beruhen und zum anderen auf der Tatsache, daß die in der VGR zugrunde gelegten Markt- oder Verrechnungspreise aufgrund ökologischer Ordnungsdefizite die im Wirtschaftsprozeß verursachten Umweltschäden und Ressourcenverbräuche nicht angemessen erfassen. Das Bruttosozialprodukt als immer noch gebräuchlicher Indikator wirtschaftlichen Erfolgs ist daher aus ökologischer Perspektive höchst fragwürdig, weil ein Teil des Sozialprodukts nicht durch wohlstandssteigernde Leistungen, sondern nur durch die Reparatur von Schäden entsteht, weit im Bruttosozialprodukt noch nicht der Verbrauch von Maschinen und Anlagen berücksichtigt ist und daher nicht die tatsächliche Wertschöpfung angegeben wird, weil keine Abschreibungen für den Naturverbrauch gebildet werden, weil die Leistungen natürlicher Faktoren nicht angemessen von der Gesamtrechnung erfaßt werden und weil schließlich in der Volkswirtschaftlichen Vermögensrechnung bisher nur die Bestände an produziertem Vermögen, nicht aber die Bestände natürlichen Vermögens erfaßt werden. Im Anschluß an diese Kritik diskutiert Sylvie Geisendorf verschiedene Vorschläge zur ökologischen Erweiterung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, bevor sie die in jüngster Zeit in der Bundesrepublik Deutschland (wie auch in einigen anderen Ländern) praktizierte "Umweltökonomische Gesamtrechnung" des Statistischen Bundesamts darstellt und kritisch beleuchtet. Damit wird die Notwendigkeit einer umfassenden Umweltökonomischen Gesamtrechnung - nicht zuletzt als Grundlage einer sinnvollen ökologieorientierten Wirtschaftspolitik - überzeugend dargelegt. Die Leitidee der "nachhaltigen Entwicklung" hat längst die Ebene nur konzeptionellen Denkens oder möglicher statischer Erfassung, etwa im Rahmen einer "umweltökonomischen Gesamtrechnung", überstiegen und wird nicht nur in vielfältigen Formen auf die Ebene individueller und kollektiver Akteure übertragen, sondern auch schon in vielen Ansätzen praktisch angewandt. Rudi Kurz (Pforzheim) gibt in seinem Beitrag "Unternehmen und nachhaltige Entwicklung" einen anschaulichen Überblick über die Rolle der Unternehmen im Rahmen eines umfassenden gesellschaftlichen Suchprozesses nach Ansatzpunkten und Formen einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Er sieht dabei drei verschiedene Stufen des Engagements für Unternehmen in diesem Prozeß, beginnend mit solchen Maßnahmen, die einen meßbaren Beitrag zur Gewinnerzielung leisten (Stufe 1), über Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung, die ohne direkte Gewinnsteigerung als Beitrag zur langfristigen Existenzsicherung des Unternehmens begriffen werden können (Stufe 2), bis hin zu solchen Beiträgen von Unternehmen, die ohne kalkulatorische oder strategische Absicht aus Gründen individualethischer oder gesamtgesellschaftlicher Verantwortung geleistet werden (Stufe 3). Die mittlere Stufe 2 steht im Zentrum seiner Überlegungen, ausgehend von der These, daß trotz keineswegs ökologiegerechter Rahmenbedingungen und erkennbarer Wettbewerbszwänge durchaus Freiheitsgrade und potentielle Handlungsspielräume für nachhaltige Unternehmensentwicklung verbleiben. Daran anschließend entwickelt Rudi Kurz Maßstäbe für eine nachhaltige Entwicklung von Unternehmen, wie absolute Nutzungsmengen, Ressourcenproduktivität, gute ökologische Managementpraktiken und umfassende Kennzahlensysteme. Schließlich wird Nachhaltigkeit als wichtiger Impuls für die Unternehmensentwicklung charakterisiert, da die Beteiligung von Unternehmen am gesellschaftlichen Suchprozeß nach nachhaltigen Entwicklungspfaden strategische, die langfristige Existenz des Betriebes stützende Vorteile erbringt. Der Verfasser erläutert dies am Beispiel einer verbesserten Wahrnehmungsfähigkeit, verbesserter Anpassungsfähigkeit und gesteigerter Gestaltungsfähigkeit von Unternehmen. Schließlich wird die nachhaltige Unternehmensentwicklung in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext gestellt. Auch wenn der Autor nicht erwartet, daß die Unternehmen insgesamt Motor der Nachhaltigkeitsdiskussion sein werden, plädiert er doch sehr dafür, daß sie interessierte und engagierte Mitwirkende sein werden, vor allem, wenn das Thema Nachhaltigkeit weiterhin eine bedeutende gesellschaftliche Relevanz hat. Im zweiten betriebswirtschaftlich orientierten Beitrag von Jürgen Freimann (Kassel) über "Umweltmanagement zwischen staatlicher Regulierung und Eigeninitiative" werden zunächst überblicksartig zahlreiche Konzepte und Instrumente des Umweltmanagements beleuchtet. Es wird gezeigt, daß die "neuen" Instrumente einer sozial-ökologischen Unternehmenspolitik weitestgehend veränderte Variationen der bereits bestehenden jeweiligen Funktionslehre sind, z.B. Portfolioanalyse oder Produktionstheorie. Diese generelle Charakterisierung muß allerdings insofern eingeschränkt werden, als Umweltinformationssysteme und das Modell der "Anspruchsgruppen" (stakeholders) zwei neuere Entwicklungen darstellen, die nicht dem mainstream der Betriebswirtschaftslehre entlehnt zu sein scheinen. Jürgen Freimann leitet anhand zweier exemplarischer Darstellungen - zum einen geht es um die Koexistenz von Auflagenbefolgern und ökologischen Pionieren und zum anderen um die Möglichkeiten zur Umsetzung des Umweltmanagements im EG-Öko-Audit - empirisch begründete Prognosen über die absehbare Entwicklung des Umweltmanagements in der Betriebswirtschaftslehre und der Unternehmenspraxis ab. Der Beitrag von Achim Lerch (Kassel) behandelt ein Gebiet, auf dem in den letzten Jahren weltweit ein deutlicher Erkenntnisgewinn erzielt werden konnte, welcher allerdings noch zu langsam von den nicht im Forschungsgeschehen stehenden Ökonomen und von der Lehrbuchliteratur aufgenommen wird. Früher unterschied man private und öffentliche Güter im Sinne von Samuelson (1954), und der Ansatz der Property Rights behandelte zunächst vorzugsweise das Modell der uneingeschränkt verfügbaren, "unverwässerten" und an Privatsubjekte verliehenen Rechte. Als Folge stellte man sich die Welt so vor, daß Güter entweder privat oder öffentlich waren und daß Property Rights entweder für Private oder gar nicht bestanden. In der Empirie beobachtete Fehlentwicklungen wurden danach regelmäßig mit der Abwesenheit privat definierter Property Rights erklärt, wie in Garrett Hardins vielzitierter "Tragik der Allmende". Diese Theorie stand schon immer mit zahlreichen empirischen Beobachtungen im Konflikt, wonach auf Gemeineigentum beruhende Ressourcennutzungssysteme durchaus über lange Zeit funktionieren konnten. Das Rätsel löste sich erst, als begrifflich zwischen Eigentum und Eigentumslosigkeit (Open Access), zwischen res communis und res nullius unterschieden und Privat- sowie Gemeineigentum als ein abgestuftes Kontinuum unterschiedlich definierter Property Rights erkannt wurden. Die irreführende Idee von der "Tragödie des Gemeineigentums" wurde durch die korrekte von der "Tragödie der Eigentumslosigkeit" ersetzt. Achim Lerch ist einer der wenigen in Deutschland, die diese Erkenntnisse auf die weltweite Bewirtschaftung fundamentaler ökologischer Ressourcen, insbesondere der Biodiversität, anwenden. Er klärt, daß mit der Pflicht, derartige irreversibel vernichtbare Ressourcen für künftige Generationen zu erhalten, nur ein Eigentumsbegriff im Sinne des Patrimonium, nicht aber des Dominium verträglich ist, welcher die Verfügung allein im Sinne des usus fructus und usus, nicht aber im Sinne des abusus gewährt. Ein solches Eigentum - privat oder kollektiv - sollte aber bestehen, um Anreize zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung zu setzen. Von einer effizienten, das heißt insbesondere Transaktionskosten minimierenden und gerechten Distribution der Property Rights an biologischer Vielfalt insbesondere in tropischen Ländern wird, wie man ohne Übertreibung sagen darf, deren Erhalt in den kommenden Jahrzehnten abhängen. Achim Lerch evaluiert hier einige erste praktische Versuche, wie den vielzitierten Handel zwischen Merck und INBio in Costa Rica. Silke Gronemann und Ulrich Hampicke (beide Greifswald) untersuchen in ihrem sehr umfassenden Beitrag Möglichkeiten, Grenzen und Methoden einer Monetarisierung der Natur und damit eine jener kontroversen Grundsatzfragen, die zu Beginn der Debatte über "Umweltökonomie versus Ökologische Ökonomie" eine unüberbrückbare Kluft zwischen zwei verschiedenen Denkrichtungen zu markieren schienen. Der vorliegende Beitrag zeigt überzeugend, daß an die Stelle eines ursprünglichen "Alternativradikalismus" über die Zulässigkeit monetärer Bewertungen mit dem binären Code "ja" oder "nein" jetzt weitaus differenziertere Überlegungen getreten sind, welche die empirische Seite der Problematik in den Vordergrund rücken (für wie ersetzbar oder unersetzbar halten Menschen bestimmte Elemente ihrer natürlichen Umwelt?), die Möglichkeit einer partiellen Monetarisierung (bei Anerkenntnis tatsächlicher oder ethischer Schranken einer umfassenden geldlichen Bewertung) und die praktischen Schwierigkeiten einer Wertermittlung (verbunden mit interessanten praktischen Lösungsvorschlägen) in den Vordergrund rücken. Im Hinblick auf die uns unbekannten Präferenzen künftiger Generationen entwickeln die Autoren überzeugend die Pflicht, "Künftigen möglichst viele Optionen durch Hinterlassung einer reichen Welt offenzuhalten, so lange uns dies nicht unzumutbare Kosten abfordert". In diesem Zusammenhang gewinnen auch eingeschränkte Verfahren, die nicht immer den "Nutzen" von Naturschutzmaßnahmen monetär erfassen können, aber doch wenigstens auf kosteneffiziente Erreichung vorgegebener ökologischer Ziele ausgerichtet sind, zunehmend an Bedeutung. Der Beitrag von Gronemann und Hampicke liefert einen instruktiven Überblick über verschiedene direkte und indirekte Bewertungsverfahren und untersucht die vorliegende, in den letzten Jahren stark angewachsene Literatur nicht nur im Hinblick auf methodische Probleme, sondern auch auf verschiedene Anwendungsfälle und weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Ein interessantes Ergebnis ihrer Analyse ist, daß bestimmte, anfänglich für zentral gehaltene Probleme - wie der vermutete "Warm-Glow-Effekt" der durch Befragung ermittelten Zahlungsbereitschaften aufgrund des befriedigenden Gefühls, etwas für irgendeinen guten Zweck gegeben zu haben - heute wohl nicht mehr als grundsätzliche Einwände gegen Befragungsmethoden gelten, da es durchaus Erklärungsansätze gibt, welche die Konzentration von Unterstützung auf einzelne Tier- und Pflanzenarten (bei gleichzeitiger Vernachlässigung anderer Arten) nicht mehr zwangsläufig als Ausdruck irrationalen Verhaltens erscheinen lassen. Die Autoren weisen auch richtig darauf hin, daß jenseits aller weiterhin bestehenden Ungenauigkeiten und Probleme bei der Ermittlung absoluter Zahlungsbereitschaften durchaus wichtige qualitative Ergebnisse über die Bedeutung gewonnen werden, welche die Bevölkerung verschiedenen Maßnahmen zum Erhalt bestimmter Arten zukommen läßt. Schließlich weisen die Verfasser auch darauf hin, daß verschiedene Einwände gegen Zahlungsbereitschaftsanalysen zugleich als Einwände gegen die mikroökonomische Theorie generell gedeutet werden können, so daß sich von hier aus ein allgemeiner Forschungsbedarf ergibt, der keineswegs auf die Naturschutzproblematik beschränkt ist. Jürgen Meyerhoff (Berlin) diskutiert Probleme und bisherige Leistungen der Kosten-Nutzen-Analyse bei der Bewertung biologischer Vielfalt. Weltweit verfügbare Daten und das Urteil von Kennern des Problems lassen keinen Zweifel daran, daß wir uns nunmehr nach fünf bis sechs Episoden starker Artenverarmungen in kurzer Zeit während der vergangenen 600 Mio. Jahre, die aber sämtlich durch geologische oder andere physische Ursachen hervorgerufen waren, in einem Abschnitt der Evolution befinden, in dem erstmals eine Art (homo sapiens) Auslöser einer "Mass Extinction" ist. Ist hier auch in ökonomischer Sicht ein Problem der Abwägung von Kosten und Nutzen im weitesten Sinne zu sehen, so zeigt Jürgen Meyerhoff doch, daß das herkömmliche Instrumentarium der Kosten-Nutzen-Analyse der neuartigen Dimension der Fragestellung nicht mehr angemessen ist. Er führt dann aus, wie diesem Mangel durch schrittweise Erweiterungen und Vertiefungen von Begriffen und Methoden abgeholfen werden kann, wenn eine verallgemeinerte und "ökologisch bewußte" Kosten-Nutzen-Analyse als Entscheidungshilfe herangezogen wird. In weltweiter Perspektive besteht das Nahziel hier immer noch darin, den völlig regellosen, vollständigen abusus einschließenden Umgang mit der Biodiversität durch Entscheidungen von nicht perfekter, aber relativer Rationalität abzulösen. Die Erweiterungen der Kosten-Nutzen-Analyse betreffen - zunächst noch durchaus im herkömmlichen Verständnis - den Einbezug nicht monetarisierter Werte sowie von Options- und Existenzwerten (Total Economic Value") und die Erfassung der Funktionen der biologischen Vielfalt für die Selbstorganisation der Ökosysteme. Daran schließt sich die Übernahme einiger neuer Konzepte der Ökologischen Ökonomie an, während die grundlegendste methodische Neuerung, welche durchaus als ein Bruch mit neoklassischem Denken angesehen werden kann, in der Akzeptanz des Prinzips der Komplementarität besteht. In der realen Welt ist eben, anders als in der neoklasischen Standardtheorie, nicht alles substituierbar. In einer vielleicht später als epochemachend erkannten Arbeit (Gren et al. 1994) wird der Natur ein von individuellen Präferenzen unabhängiger und daher aller Monetarisierung vorgelagerter "Primary Value" zuerkannt, der in ihrer unersetzbaren Grundlage für das Leben besteht. Daß es Dinge gibt, die nicht aus moralischen, sondern faktenlogischen Gründen unersetzbar sind und sich daher - stets vergleichender - monetärer Bewertung entziehen, ist eine Erkenntnis, die Nicht-Ökonomen offenbar geringere Schwierigkeiten bereitet als Wirtschaftswissenschaftlern. Jürgen Meyerhoff weist darauf hin, daß das verwandte Konzept des "Safe Minimum Standards" schon vor mehreren Jahrzehnten von dem Pionier S. v. Ciriacy-Wantrup entwickelt wurde, und er schließt seine Ausführungen mit kurzen Berichten über einige praktische Anwendungen der erweiterten Kosten-Nutzen-Analyse im Bereich der bayerischen und österreichischen Donauauen. Michael Finus (Hagen) behandelt mit der Spieltheorie eine Methode, welche wie keine andere die ökonomische Theorie auf zahlreichen Gebieten in den letzten Jahren durchdrungen und teilweise erheblich verändert hat. Für den spieltheoretisch orientierten Ökonomen beschreibt die herkömmliche Mikroökonomie die ihm mehr oder weniger uninteressant erscheinenden Sonderfälle menschlicher Interaktion, in denen es keinen Raum für strategisches Verhalten gibt oder wo von diesem Aspekt, ohne allzu große Fehler zu begehen, im Interesse der Einfachheit von Modellen abgesehen werden darf. Für ihn sind Strategie, Konflikt, Verhandlung und Kooperation der "Normalfall" ökonomischer Interaktion. Wie Michael Finus aber selbst schreibt, hemmen die unabdingliche mathematische Formulierung schon der einfachsten Probleme und erst recht die sehr schnell ansteigenden mathematischen Anforderungen bei komplexeren Fragestellungen die Verbreitung der Spieltheorie erheblich. So ist der vorliegende, streng systematische und dabei gut lesbare Beitrag für alle Leser wertvoll, die sich über die Methode schon unabhängig von ihren Anwendungsmöglichkeiten in der Ökologischen Ökonomie informieren wollen. Unter ihren Anwendungen steht derzeit das weltweite "Pokern" unter Staaten über die Verteilung von Anrechten an knappen globalen Ressourcen, insbesondere von Anrechten zur Emission von klimawirksamem CO2 an erster Stelle. Wir erleben mit, was in dichtbesiedelten Ländern bezüglich des Grundeigentums schon vor Jahrhunderten und bezüglich der Meeresressourcen vor wenigen Jahrzehnten entschieden wurde: die Erstverteilung von Verfügungsrechten. Dabei gibt es einerseits keine zentrale Autorität mit uneingeschränkter Verteilungskompetenz, andererseits erfolgt die Appropriation jedenfalls bisher auch nicht nach dem Prinzip allein rücksichtslosen Machteinsatzes, was den Prozeß, abgesehen von der Unakzeptierbarkeit der Ergebnisse, dann auch wissenschaftlich-ökonomisch uninteressant machen würde. Die typische Verhandlungssituation resultiert teils aus einem gewissen Machtgleichgewicht zumindest zwischen größeren Blöcken von Ländern und andererseits daraus, daß vor einer kritischen Weltöffentlichkeit nicht einfach nur zugegriffen werden kann, sondern argumentiert werden muß, wobei Aspekte der Gerechtigkeit, der Bedürftigkeit, der Allokationseffizienz von Emissionsvermeidungen, der Verantwortung für die schon bestehende Vorbelastung und anderes mehr zur Sprache kommen. Die Spieltheorie kann die Qualität dieses Entscheidungsprozesses auf vielfältige Weise heben. Es wäre zum Beispiel eine lohnende Leistung, wenn sie die Politik darüber aufklären könnte, daß bestimmte, zur gegenseitigen Paralysierung führende Dogmen etwa derart, daß einseitige Emissionsvermeidungsmaßnahmen von Ländern gar nichts nützten, keineswegs als unumstößliche Wahrheiten gelten dürfen. Weitere, sich mehr oder weniger klar herausschälende Erfolgsbedingungen für Verhandlungsprozesse um globale Ressourcen nennt der Autor am Schluß seines Beitrages. Das globale CO2-Klima-Problem ist denn auch das Thema des Beitrags von Peter Michaelis (Bernburg an der Saale), der sich in die in schon große Zahl von empirischen Modellsimulationen einreiht, welche die Konsequenzen bestimmter zeitlicher Emissionsprofile von Treibhausgasen in den kommenden Jahrzehnten zu antizipieren versuchen. Die bekannteste Arbeit dieser Art, das DICE-Modell von Nordhaus (1994), vergleicht heutige Kosten der Vermeidung von Klimaänderungen mit den wahrscheinlichen Kosten unterlassener Vermeidung - also die Kosten der Klimaänderung - und setzt sich damit unter anderem dem Einwand aus, daß die letzteren Kosten heute nur mit so großer Ungenauigkeit antizipiert werden können, daß jede Berechnung mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Peter Michaelis beschränkt sich hier, indem er künftige Effekte selbst nicht bewertet, sondern sich an politisch gesetzten Zielen orientiert, vor allem der Maxime: Lassen wir maximal nur solche Klimaänderungen zu, die aus einer Verdoppelung des vorindustriellen CO2-Gehaltes der Atmosphäre folgen würden. Zwei Aspekte zeichnen die vorliegende Arbeit vor allen anderen weltweit vorgenommenen Modellrechnungen aus: Zum einen verarbeitet sie die physischen Fakten, wie zum Beispiel den Austausch von anthropogen emittiertem CO2 zwischen Atmosphäre und Ozean, mit erheblich größerer Sorgfalt, als es die meisten Ökonomen nur für nötig halten. Hier leisten sich sogar diejenigen, welche sich "Ökologische Ökonomen" nennen, noch immer Oberflächlichkeiten, die geeignet sind, das Renommee ihrer Zunft bei Naturwissenschaftlern erheblich in Mißkredit zu bringen, wie jüngst wieder Costanza et al. (1997). Zweitens greift Peter Michaelis den Umstand auf, daß es nicht ein Treibhausgas (CO2), sondern mehrere (unter anderen CO2, N2O, CH4 und FCKWs) gibt; somit entsteht das spezifisch ökonomische Problem der kostenminimalen Einhaltung eines konsensual bestimmten Klimaziels. Es werden also Fragen der Kostenwirksamkeitsanalyse (Cost-Efficiency Analysis) gestellt. Das Ergebnis ist, daß zur Einhaltung solcher Ziele zwar schon jetzt und erst recht in wenigen Jahrzehnten wesentlich energischere Maßnahmen als bisher ergriffen werden müssen, daß aber nicht zuletzt bei Ausnutzung von Effizienzspielräumen - Emissionsvermeidung bei den Stoffen, wo es am kostengünstigsten ist - durchaus erwartet werden kann, daß sich hochentwickelte und wohlhabende Volkswirtschaften auf der Erde derartige Maßnahmen werden "leisten" können. Während die Anfänge der Umwelt- und Ressourcenökonomik mindestens bis zum Beginn unseres Jahrhunderts zurückverfolgt werden können (frühe Spuren umweltökonomischen Denkens zeigen sich bereits in der älteren Historischen Schule 100 Jahre zuvor), sind die Grundgedanken der Ökologischen Ökonomie - sieht man einmal von John Stuart Mills zu Recht berühmten Ausführungen über den "stationary state" in seinen Principles (1848) ab - im wesentlichen erst in den letzten 20 Jahren entwickelt worden, auch wenn es mit Karl William Kapp (1950) und Nicholas Georgescu-Roegen (1971) zumindest zwei bedeutende Vorläufer gibt. Bisher findet man noch keine verbindlichen "Lehrbücher" oder "Textbücher" für dieses neu entstandene Gebiet, sondern verschiedenartige Aufsatzsammlungen sowie laufende Artikel in der seit 1985 erscheinenden Zeitschrift "Ecological Economics". Einen ersten Versuch einer zusammenfassenden Darstellung der "Ökologischen Ökonomie" haben Robert Costanza u.a. (1997) mit ihrer "lntroduction to Ecological Economics" unternommen. Auch diese einführende Darstellung zeigt, ebenso wie die hier im Jahrbuch "Ökonomie und Gesellschaft" präsentierten Beiträge, daß traditionelle Umwelt- und Ressourcenökonomie und die in den letzten Jahrzehnten entstandene "Ecological Economics" in der Zwischenzeit in einen konstruktiven und fruchtbaren Dialog miteinander eingetreten sind, der alte Grenzziehungen überwindet und immer neue Fragestellungen sowohl in der grundlagenorientierten als auch der anwendungsbezogenen Forschung eröffnet.
Aktualisiert: 2018-11-08
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