Malerei und die Neuen Medien

Tina Sauerländer painting geste und spekulationen

Wie hängen das wieder erwachte Interesse an der Malerei und die Explosion neuer digitaler Medien zusammen? Das ist eine der Leitfragen der Ausstellung „Painting 2.0: Malerei im Informationszeitalter“, die erst im Münchener Museum Brandhorst ausgestellt wurde und nun noch bis zum 6. November 2016 im Wiener mumok zu sehen ist. Im kürzlich erschienenen, gleichnamigen Katalog (Prestel Verlag, 16. März 2016) wird anhand von über 230 Werken von 107 Künstlerinnen und Künstlern die Frage nach der Aneignung und Transformation von Informationstechnologien in der westeuropäischen und nordamerikanischen Malerei seit Beginn der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Massenkultur in 1960er Jahren bis hin zum Einfluss durch das Internet beleuchtet. Vertreten sind u.a. Joseph Beuys, Robert Rauschenberg, Lynda Benglis, David Reed, Martin Kippenberger, Kelley Walker, Monika Baer, Wade Guyton oder auch Nicole Eisenman und Laura Owens. Über das Werk der ebenfalls beteiligten Künstlerin Isa Genzken erschien anlässlich ihrer letzten großen Einzelausstellung im Stedelijk Museum Amsterdam und dem Berliner Martin-Gropius-Bau das großformatige Collagenbuch „Isa Genzken. Mach dich hübsch!“ im Verlag Walther König. Dort erscheint im Herbst auch der Katalog „Monika Baer. Grosse Spritztour“ zur Einzelausstellung der Künstlerin in der Kestner Gesellschaft, Hannover (Erscheinungsdatum des Katalogs: 30.9.2016).

Der Titel „Painting 2.0“ legt nahe, dass es sich um eine Ausstellung handelt, die „primär um unter Zuhilfenahme digitaler Techniken entstandene Malerei kreist“, wie auch Birgit Sonna in ihrer Rezension schreibt („Widerstandsfähig“, ART online, 05.01.2016). Allerdings konzentriert sich „Painting 2.0“ nur wenig auf solche künstlerischen Ansätze von meist jüngeren Künstlern wie z.B. Trudy Benson, Wendy White, Hayal Pozanti, Austin Lee, Timothy Bergstrom oder Despina Stokou (Katalog: Despina Stokou: Ghosting, Hg. Galerie EIGEN + ART, 11.11.2015). Arbeiten, die sich auf digitaler Basis mit dem Medium der Malerei auseinandersetzen, sind in der Ausstellung ebenfalls kaum vertreten. Dazu gehören Werk von KünstlerInnen wie Anne Vieux, Manuel Fernández, Travess Smalley, Ry David Bradley und vieler anderer.

Trotz des etwas missverständlichen Titels stellt die Ausstellung „Painting 2.0“ einen relevanten Beitrag zur entwicklungsgeschichtlichen Aufarbeitung der Malerei unter einem wichtigen Gesichtspunkt dar, der sich durch die Digitalisierung und das Internet verschärft hat, und zwar den der „Problematik zwischen Autorenschaft, Copyright, Original und zynisch verwässertem Zitat“ (Sonna). Inwieweit Malerei im klassischen Sinne ein innovatives und kritisches Medium zur Reflektion der Daseinszustände in der heutigen Lebenswelt im Zeitalter des Internet sein kann, und sie – im Gegensatz zu den digitalen Medien selbst – diese Lebenswelt auf einer anderen Ebene zu beleuchten vermag, wurde bisher wenig in Ausstellungen vor allem im deutschsprachigen Raum thematisiert. So konzentriert sich beispielsweise auch die 9. Berlin Biennale auf andere, neue Medien (Katalog: 9. Berlin Biennale für Zeitgenössische Kunst: The Present In Drag, DISTANZ Verlag, 1.5.2016).