Tatsachen von Barbusse,  Henri, Toller,  Ernst, Tucholsky,  Kurt

Tatsachen

Mit einer Vorrede von Ernst Toller

Henri Barbusses folgt in diesem Buch der Spur einiger Zeitungsmeldungen von „Nebenschauplätzen“ und „Zwischenfällen“ des Ersten Weltkriegs, die allerdings drastisch und grausam genug sind, um diesen Krieg insgesamt zu beleuchten.
Da ist zum Beispiel das französische Expeditionskorps der russischen Armee. 1915 hatte Frankreich – im Tausch gegen Munition (!) – das Zarenreich um 300.000 Soldaten gebeten, die im Westen den Krieg gegen die Mittelmächte unterstützen sollten. Mitte 1916 kamen dann annähernd 10.000 russische Soldaten in Frankreich an, sie wurden u.a. bei der Schlacht an der Aisne eingesetzt. Als sich Gerüchte häuften, zwischen Deutschland und Russland gäbe es einen Waffenstillstand, weigerte sich ein Großteil der Soldaten weiterzukämpfen. Die Rebellion wurde mit Waffengewalt niedergeschlagen. Wer überlebte, wurde der neu gebildeten „Legion Russe“ zugeteilt, die selbst Mitte 1918 (nach dem deutsch-russischen Friedensschluss von Brest-Litowsk!) noch weiterkämpfe. Wer sich dagegen weigerte dieser „Legion Russe“ beizutreten, kam (obwohl de facto als Russe kein Kombattant mehr) in Kriegsgefangenlager in Frankreich und Nordafrika. Da sind desweiteren die Pogrome in der Ukraine 1919. Zwischen 30.000 und 70.000 Menschen starben dort in über 1400 grauenhaften Massakern. Das in „Tatsachen“ geschildete ist nur eines davon: In Proskurow wurden am 15. Februar 1919 binnen weniger Stunden 1600 Juden ermordet, als Kosakenregimenter und Einheiten der ukrainischen Armee in dieser Weise ihren Sieg über Aufständische „feierten“. Und da ist zuguterletzt das Zugunglück von Modane am 12. Dezember 1917. Zwischen 540 und 800 Menschen kostete die Halsstarrigkeit französischer Offiziere das Leben. Auf ihren Befehl hin setzte sich nämlich ein völlig überfüllter Urlauberzug in Bewegung, der bald darauf – wie vom Zugpersonal vorhergesagt – bei einer Talfahrt entgleiste.
Ein Zyniker würde behaupten, das alles seien keine Katastrophen großen Stils, sondern „Peanuts“ oder „Zwischenfälle“. Als solche würden sie es bestenfalls in die Rubriken „Verschiedenes“ oder „Aus aller Welt“ schaffen, nicht aber auf die vorderen Seiten der Zeitung. „Zwischenfälle“, „Vermischtes“ oder „Verschiedenes“ – und keinesfalls „Tatsachen“ – lautet denn auch die korrekte Titelübersetzung von Barbusses Buch, das als „Faits divers“ 1928 in Paris erstmals erschien. Der französische Titel „Faits divers“ wird den auch am ehesten der enormen Bandbreite dieses „Zeitungs-Sammelsuriums“ gerecht: von den schon benannten „Zwischenfällen“ bis hin zur Apotheose der geschundenen Kreatur in der Schilderung des Vegetierens der Bergwerkspferde unter Tage, bis hin zu Barbusses programmatischem Vermächtnis, einer sozialistischen Umdeutung des Neuen Testaments. Zugegeben: Der Stil ist holzschnittartig-rustikal, die Grausamkeiten ermüden, Zwischentöne sucht man oft vergebens, mal irritiert der Predigerimpetus, mal befremdet das latent vorhandene Zolasche j’accuse, das hier in guter französischer Tradition mit Wortmacht und Pathos fortgeführt wird. Aber trotz dieser Einschränkungen ist es meisterlich wie es Barbusse gelingt, diesen „Kollateralschäden“ eines Katastrophenjahrhunderts Leben einzuhauchen, ein menschliches Anlitz zu geben und die Leiden und Nöte dieser „Zwischenfälle“ dem Vergessen zu entreißen.

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