Strawalde. The School of Fountainbleau von Herausgegeben von Matthias Flügge,  Annette Tietz und Bernd Heise für die Galerie Pankow Berlin und das Leonhardi-Museum Dresden Berlin 2019, Strawalde

Strawalde. The School of Fountainbleau

Im Jahr 1969 erschien als Teil der Reihe Masters of Graphic Art bei dem Londoner Verlag Thames & Hudson in einer Übersetzung aus dem Französischen das Buch „The School of Fontainebleau: Etchings and Engravings“ von Henri Zerner. Der französische Kunsthistoriker Zerner, geb. 1939, damals Konservator am Fogg-Museum und später auch Professor in Harvard, diskutiert darin den Forschungsstand zur Druckgrafik der Schule von Fontainebleau, die vor allem Reproduktionsgrafik war, in der aber auch die ersten freien Entwürfe der Malergrafiker, der sog. Peintre-Graveurs in Frankreich entstanden. Die hohe Zeit dieser Kunst fiel in die Mitte der 1540er Jahre. Henri Zerner, der sich einen Namen als Spezialist für die französische Kunst des 16. Jahrhunderts gemacht hat, konnte fast alle der in den Quellen genannten, teils extrem seltenen grafischen Blätter in US-amerikanischen und europäischen Sammlungen auftreiben und liefert präzise Angaben zu den Standorten sowie Konkordanzen zu früheren Publikationen und Verzeichnissen. Vor allem aber hat das Buch einen beeindruckend umfangreichen Abbildungsteil: Auf 261 Seiten sind 349 Kupferstiche und Radierungen abgebildet. Darunter ist auch ein Unikat: die einzige Francesco Primaticcio zugeschriebene Radierung. Dieser kam als Mitarbeiter von Giulio Romano 1532 auf Einladung des Königs François I. aus Mantua nach Fontainebleau, um an der Ausgestaltung des Schlosses mitzuwirken, deren Leitung er nach dem Tode seines Vorgängers Rosso Fiorentino übernahm. Primaticcio und Rosso gelten als die Begründer der ersten Schule von Fontainebleau, die das Zentrum des europäischen Manierismus nördlich der Alpen gewesen ist. Die druckgrafischen Blätter entstanden in der Mehrzahl nach Zeichnungen der Künstler von Gemälden und Wandmalereien italienischer Meister der Spätrenaissance und des Manierismus. Zerner hält fest, dass das Repertoire dieser Radierungen und Kupferstiche vor allem auf fünf Namen beschränkt gewesen ist. Neben den Genannten zählen noch Werke von Giulio Romano, Parmigianino und Luca Penni zu den Vorlagen. Und er sieht den Zweck der umfangreichen Produktion weniger in ökonomischen Erwägungen als vielmehr in der Kontaktaufnahme mit der (Kunst)Welt außerhalb der Abgeschiedenheit: „One might say that the artists, Primaticcio foremost, understood the importance of their acivities; their accomplishment greatly exceeded the limits oft the isolated residence of Fontainebleau, and it was necessary to make this public, with whatever means were at hand. The immediate success of their production proved them right. As for us, we are most grateful to them for this faithful news report of a great artistic moment.“
Strawalde kam kurz nach Erscheinen dieses Buches in dessen Besitz. Es war ein Geschenk des Malerfreundes Ralf Winkler. Dieser, also A. R. Penck, stand seit 1961 in freundschaftlicher Verbindung mit Georg Baselitz, der seinerseits ein bedeutender Sammler von manieristischer Druckgrafik ist und mittlerweile ganze Museumsausstellungen mit seinen Beständen ausstatten kann. Der Zusammenhang ist evident, zumal auch Jürgen Böttcher (Strawalde) und Georg Kern (Baselitz) in früheren Jahren ebenfalls im Kontakt waren. Die kraftvollen, teils erotischen, figürlich überlängten und gedrehten allegorischen Gestalten ebenso wie die Darstellungen von ornamentalem Architekturschmuck auf den Blättern aus Fontainebleau allerdings trafen Ende der sechziger Jahre offenbar nicht unbedingt auf Strawaldes ästhetische Begeisterungspotenziale. Das Buch verschwand im Regal, wurde aber bei jedem Umzug mitgenommen. Im Herbst 2018 fiel es dem Maler wieder in die Hände. Strawalde war nun vollkommen fasziniert. Gerade hatte er eine Periode intensiven Zeichnens und Collagierens mit allen möglichen Materialien begonnen und dazu gehörte auch das Übermalen. Seit den überzeichneten Postkarten der frühen achtziger Jahre und den sehr einflussreichen Experimentalfilmen, die diese Vorgänge begleiteten, hat sich Strawalde immer wieder dieser Verfremdungstechnik bedient. Sie ist Aggression und Anverwandlung zugleich, Plünderung und Produktion, Zerstörung und Neuschöpfung, Impertinenz und Interpretation. Und sie geschieht heute in der ganzen Nonchalance und Kraft des späten Werkes.
Text: Matthias Flügge

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