Medium und Form – Musik in den (Re-)Produktionsmedien
Thorsten Klages
In einer Musik- und Medienpraxis, die von der ersten
Musikaufnahme ‚Mary Had A Little Lamb‘ im Jahr 1877, gesungen von
T. A. Edison, bis zu den Soundtüfteleien der aktuellen Disk- und
Datajockeys reicht, hat sich ein neues Medienverständnis
entwickelt: Reproduktionsmedien gelten nicht mehr als
unbeteiligte, technische Kanäle zwischen Sender und Empfänger,
sondern als Instanzen mit produktiven Potentialen. Seitdem
technische Reproduktionsmedien beliebige Klänge speichern,
übertragen und berechnen, hat die Musik den Hafen ihrer
schriftlichen Speichermedien verlassen. Auf ihrer Entdeckungsreise
im Ocean of Sound hat sie sich neue Hörräume erschlossen, die
nicht mehr auf Guido von Arezzos Notenlinien passen. Dazu zählen
die Klanggeburten der DJ-Culture ebenso wie die Soundcollagen der
Musique concrète. Die Annäherung an die Prozesse der
Medialisierung in der Musik ist im vorliegenden Band als ein
interdisziplinäres Projekt angelegt, das die neueren
Medientheorien und die Systemtheorie für die Musikwissenschaften
erschließen möchte. Im Zentrum steht dabei das von Niklas Luhmann
ausgearbeitete und differenztheoretisch angelegte
Beobachtungskonzept Medium und Form, das auf medienästhetische
Phänomene in der Musik übertragen wird. Die Beobachtung von Formen
der Medialisierung öffnet neue Zugriffe auf den Gegenstand und
kann gewinnbringend für eine theoretische Annäherung an die heute
virulente Musikkultur der (Re-)Produktion herangezogen werden. Mit
Hilfe einer differenztheoretisch angelegten Beobachtung lassen
sich Modelle formulieren, die den Antagonismus zwischen medialer
und nicht-medialer Musik auf einen gemeinsamen Nenner – Medium
und Form – bringen.
Dieser Titel ist – textidentisch und mit gleichem Seitenlayout – auch als gedrucktes Buch erhältlich (ISBN 3-923486-40-5).