Gemeinschaftliches Leben
Konrad Dietzfelbinger, Johannes Mueller, Margarete Müller
(Aus der Einleitung S.7f.) Trotz vieler guter Freundschaften, Partnerschaften und Beziehungen in Beruf und Arbeit spürt man, dass mit den zwischenmenschlichen Beziehungen heute prinzipiell etwas nicht stimmt. Sie sind häufig geprägt von Missverständnissen, unerfüllbaren Erwartungen des einen an den anderen, Misstrauen, Kälte, Übervorteilungsversuchen und vor allem durch eine unerklär¬liche Fremdheit. Es ist wie eine Glaswand zwischen den Menschen, durch die zwar Verhalten und Worte wahrgenommen werden, die aber wirkliche Nähe, Vertrauen und Verstehen unmöglich macht. Das gilt im kleinen Rahmen der Ehe, Familie und Freundschaft wie auch im großen Rahmen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Darüber können die Versuche der Unterhaltungsindustrie, eine schöne Scheinwelt des heiteren Miteinander aufzubauen, und die durch die Technik gesteigerte Kommunikationsdichte nicht hinwegtäuschen.
Das hat sich seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, in denen Johannes Müller (19.4.1864-4.1.1949) das vorliegende Buch schrieb, nicht geändert. Denn das entscheidende Problem der zwischenmenschlichen Beziehungen ist damals wie heute nicht gelöst. Nach Johannes Müller ist der desolate Zustand der Gemeinschaften im Kleinen und im Großen Folge der Tatsache, dass die Menschen mit einem falschen Wesen behaftet sind. Sie haben ihr wahres Wesen noch gar nicht entdeckt, geschweige denn, dass sie es leben. Werden sie es leben, so werden die sozialen Beziehungen von ganz anderen Voraussetzungen bestimmt sein und sich auf einer ganz anderen Ebene entfalten. Es hat somit keinen Zweck, an den sozialen Beziehungen herumzuverbessern, solange sie vom falschen Wesen des Menschen bestimmt sind. „Wenn uns also das gegenwärtige Zusammenleben der Menschen weder genügt noch befriedigt, so helfen uns keine sittlichen Verbesserungen, sondern nur eine andere Verfassung auf einer Grundlage, die der Wahrheit und Natur des Menschen mehr gerecht wird“ (S.51).
Diese Sachverhalte beschreibt Johannes Müller in diesem Buch, und das ist der Grund, weshalb es neu aufgelegt wird.