1842. Der große Brand von Hamburg von Buggenthin,  Arne

1842. Der große Brand von Hamburg

Historischer Roman

6. Mai
An diesem Abend, in dieser Nacht, hatte Marie Vieles gesehen, das sie mit Schrecken erfüllte. Der Menschenstrom, der sich über die Holzbrücke wälzte. Der brennende Turm von St. Nikolai, der so furchtbar die Nacht erhellte. Aber vor allem Adams blasses Gesicht, das dem Tode näher schien als dem Leben. Die menschenleere Straße, die sich nun vor ihr in der Dunkelheit erstreckte, schien dagegen friedlich und sicher. Doch mit jedem Schritt, den Marie tat, gab der Weg langsam seine Schrecken preis.
Es war offensichtlich, dass die Bewohner ihre Häuser in großer Eile verlassen hatten. Die gemauerten Durchgänge, die zu den Höfen führten, waren mit Schränken und Kommoden verstellt. Ein breites Sofa, das keinen Platz auf den Wagen gefunden hatte, schien auf die Rückkehr seines Besitzers zu warten. Zerbrochenes Geschirr lag vor einer offenen Tür.
Nach der Flucht der Bewohner waren die Plünderer gekommen, und auch sie hatten Spuren hinterlassen. Der Boden war bedeckt mit den Scherben der eingeschlagenen Fenster. In einem der Rahmen hing noch das Wurfgeschoss, ein schwerer Holzschemel. Gepolsterten Stühlen hatten sie die Seidenbezüge zerschnitten, sodass ihr Futter wie Gedärm heraushing.
Marie war nicht wohl in ihrer Haut und dafür gab es gute Gründe. Die Vorstellung, allein durch dunkle Straßen zu wandern, möglicherweise betrunkenen Plünderern zu begegnen, war unangenehm genug. Doch die Sorge um Adam quälte sie noch mehr und schien wie ein Stein auf ihrer Brust zu liegen. Jeder Schritt strengte sie an und die Kopfschmerzen, die sie seit einer Stunde hatte, waren hier draußen im Freien nicht besser geworden. Sie atmete tief ein, aber es belebte sie nicht. Die Luft schien schwerer zu sein als sonst.
Sie wusste nicht viel von dem, was man die Naturwissenschaften nannte. Aber der Gedanke, dass das Feuer irgendwie die Luft vergiftete, erschien ihr naheliegend. Sie erinnerte sich an das Büßerstübchen im Waisenhaus. Eine kleine, fensterlose Kammer, in der die Kinder zur Strafe eingesperrt wurden. Dort hatten immer Kerzen gebrannt, die man nicht löschen durfte, und nach einer Weile konnte es sehr unangenehm werden. Vielleicht war die ganze Stadt zu einem Büßerstübchen geworden, dachte sie. Doch dann kamen ihr Zweifel. Eine Stadt war keine verschlossene Kammer. Es konnte also nicht das Gleiche sein.
Außer Atem musste sie sich schließlich setzen und ließ sich auf der Treppe eines Hauseingangs nieder. Adam, dachte sie, du musst wieder gesund werden. Sie wollte, sie durfte ihn nicht verlieren. Wie viel Zeit hatten sie denn schon gemeinsam gehabt? Doch nur einige, wenige Stunden. Nein, sein Fieber war nicht so hoch. Es ging ihm gut. Er lag warm und sicher in ihrem Bett und Catharina hielt Wache neben ihm.
Fast hätte Marie gelacht.
Ja, Catharina würde Wache halten, solange es bequem und sicher für sie war. Aber was würde sie tun, wenn das Feuer näherkam? Würde sie einfach davonlaufen und Adam seinem Schicksal überlassen? Marie befürchtete das Schlimmste.
Der Schmerz pochte in ihrem Schädel, als wolle er sie vorwärtstreiben. Es war auf alle Fälle besser, sich zu bewegen. Deshalb erhob sie sich und machte sich wieder auf den Weg.
Ein, zwei Fenster entlang der Straße waren von Kerzenlicht erhellt. Schatten bewegten sich langsam durch die Räume, aber Marie bezweifelte, dass es Plünderer waren. Vielleicht waren die Bewohner dieser Gebäude nicht in der Lage zu fliehen, vielleicht wollten sie es auch gar nicht.
Vor ihr, in einiger Entfernung, lag ein großer Gegenstand auf der Straße. Zunächst hielt sie es für ein weiteres sperriges Möbelstück, das die Besitzer aufgegeben hatten. Doch als sie näherkam, erkannte sie, dass es ein Pferdekadaver war. Marie blieb stehen und betrachtete das tote Tier. Die Zunge hing dem Pferd unnatürlich weit aus dem offenstehenden Maul. An Hals und Bauch traten die angeschwollenen Adern hervor. Wie gebannt stand Marie da.

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