Kriminelles und Abwegiges

Kriminelles und Abwegiges von Schlott,  Wolfgang
Die Erzählungen bilden einen Ausschnitt aus den vergangenen zwanzig Jahren meines literarischen Schaffens. Sie verbinden das Genre des Kriminalromans mit grotesken Visionen und skurrilen Inspirationen. Dabei bedienen sie sich abwegiger und merkwürdiger Ereignisse, indem sie aus der Perspektive komischer Zeitgenossen und kauziger Persönlichkeiten ihre Welt auf den Kopf stellen oder selbst Opfer ihrer merkwürdigen Handlungen werden. Ihre Erzähler schlüpfen dabei in unterschiedliche Rollen und verletzen bewusst liebgewonnene Tabus. Alle Sujets stammen aus dem gegenwärtigen und einstigen zweigeteilten Deutschland wie auch der Tschechoslowakei nach dem „Prager Frühling“. Übereinstimmungen mit noch lebenden Persönlichkeiten sind rein zufällig. Ihre Konturen verblassen, je länger sich Leser/innen während des Erzählvorgangs mit den Personen der Handlung identifizieren. Wolfgang Schlott In der hier vorliegenden Sammlung von Erzählungen wendet Wolfgang Schlott virtuos unterschiedliche Erzähltechniken an, die von der Ich-Perspektive, dem Kommentar, einer Art Drehbuch im Stile eines Tatort-Krimis in der ARD bis hin zu skurrilen Elementen reichen. Überhaupt das Skurrile: Was im wissenschaftlichen Betrieb ‚abwegig‘ wäre, ist in einer Erzählung wie etwa „Märtyrer gesucht“ bis zum Lächerlichen überzeichnet, weil deren Quellen manipuliert sind (oder sein könnten) und die handelnden Personen als Sekte ‚kriminell‘ agieren. Dieser ‚gegenstandslosen‘ Wissenschaft entspricht der sich ‚auflösende‘ Erzähler inmitten einer Konstellation aus Verlogenheit, Anmaßung und Fake-News. (…) Für Wolfgang Schlott ist Erzählen ein Grenzgang zwischen starker Imagination, Verzauberung und Entzauberung, Austesten der Handlungsmöglichkeiten, bitterem Ernst und Schalk, Einsicht in die Vergeblichkeit und dem Reiz am steten Neubeginn. Erzählen ist für ihn Beruhigung durch das Schreiben selbst: nämlich eine Spur zu legen, die bleibt. Frank Eckart Lieferbare Titel von Wolfgang Schlott: – „Heimat – gerettete Zunge. Visionen und Fiktionen deutschsprachiger Autoren aus Rumänien“, 2013, Eine literarische Begegnung. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Wolfgang Schlott. Horst Samson (Hrsg.), Ingmar Brantsch,Hans Bergel, Walter Engel,Ilse Hehn, Franz Heinz, Klaus Hensel, Franz Hodjak, Johann Lippet, Dieter Schlesak, Olivia Spiridon, Horst Samson, Peter Motzan, Gerhard Ortinau, Friedrich Schuller, Hellmut Seiler, Balthasar Waitz: Heimat – gerettete Zunge. Visionen und Fiktionen deutschsprachiger Autoren aus Rumänien. (UNIVERSITAS Sammlung) 373 S. ISBN: 978-3-86356-051-5, € [D] 25,– € [AT] 25,– SFr [CH] 35,- – Heidrun Hamersky, Ilse Hehn, Wolfgang Schlott (Hrsg.): „Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“ Schreiben im Exil. Fragmentarium; 282 Seiten, 19,90 € ISBN 978-3-86356-131-4 – Kriminelles und Abwegiges. Skurrile Erzählungen. Reihe Epik Bd. 111; ISBN: 978-3-86356-302-8; 195 Seiten, €[D]16,50
Aktualisiert: 2023-05-30
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Heimat – gerettete Zunge

Heimat – gerettete Zunge von Bergel,  Hans, Brantsch,  Ingmar, Engel,  Walter, Hehn,  Ilse, Heinz,  Franz, Hensel,  Klaus, Hodjak,  Franz, Lippet,  Johann, Motzan,  Peter, Ortinau,  Gerhard, Samson,  Horst, Schlesak,  Dieter, Schlott,  Wolfgang, Schuller,  Friedrich, Seiler,  Hellmut, Spiridon,  Olivia, Waitz,  Balthasar
Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland Mehr als zwanzig Jahre nach der letzten Ausreisewelle der deutsch schreibenden und publizierenden Autoren aus Siebenbürgen, dem Banat und Bukarest drängt sich eine Reihe von Fragen auf, die in der Zwischenzeit von der rumäniendeutschen Germanistik unter unterschiedlichen Aspekten aufgeworfen worden sind. Es handelt sich dabei auch um den Zusammenhang zwischen literarischem Erbe, Bewahrung kultureller Traditionen, historischer Aufarbeitung von politischer Verfolgung und ideologischen Irrwegen, Beurteilung ästhetischer Verfahren und die Rezeption einer „randständigen“ Literatur im bundesdeutschen Literaturbetrieb. Einige dieser Themen sind in den 1990-er und in den 2010-er Jahren auf wissenschaftlichen Tagungen in Deutschland und in Rumänien bereits erörtert worden. Parallel zu diesen Veranstaltungen trafen sich die aus ihrer ehemaligen Heimat stammenden Schriftsteller mit den wenigen in Rumänien verbliebenen Autoren zu Lesungen und Diskussionen im Banat und in Siebenbürgen, aber auch im Rahmen von Lesungen der germanistischen Fakultät an der Universität in Bukarest. Die vom 16.-18. November 2012 in die Tagungsstätte „Heiligenhof“ (Bad Kissingen) eingeladenen Literaten und Literaturwissenschaftler sollten sich, angeregt von den Veranstaltern, einer von diesen – oben genannten Unternehmungen – abweichenden Fragestellung widmen. Unter dem Thema „Heimat – gerettete Zunge. Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland“ hatten die renommierten Vertreter der schreibenden Zunft aus den Bereichen Prosa, Lyrik, Dramatik und Essayistik die Aufgabe, aus ihren Texten zu lesen und sich anschließend den Fragen der Moderatoren und des Publikums zu stellen. Gemeinsam mit zwei vom Exil-P.E.N. eingeladenen Vertretern der Banater Literaturszene sollte auf dieser Tagung auch der Erfahrungsaustausch zwischen den in der Heimat verbliebenen und den in Deutschland angekommenen Pro-tagonisten bewertet und befördert werden. Auf dem Hintergrund dieser beiden Intentionen spielte der Aspekt der politischen und ideologischen Implikationen, denen der Literaturbetrieb in Rumänien ausgesetzt war, nur eine marginale Rolle. Vielmehr ging es in den durch die Moderatoren eingeleiteten Lesungen um die thematischen und ästhetischen Implikationen in den Werken der vortragenden Autoren und ihre Rezeption in den bundesdeutschen Fachzeitschriften, wie auch zum Teil um das Echo solcher Texte in deutschsprachigen Zeitungen in Rumänien. Dieser wechselseitige Transfer wurde durch die themenbezogenen Referate der Literaturwissenschaftler insofern bereichert und vertieft, als die auf der Tagung präsentierten und in den Tagungsband nunmehr aufgenommenen Essays ein breites Spektrum an literaturhistorischen, rezeptionsästhetischen und literatursoziologischen Aspekten anboten. Diese zwischen die Lesungen eingeschalteten Referate wie auch an die jeweiligen Lese-Panels anschließenden Vorträge trugen zu den besonderen Lerneffekten der Tagung bei. „Heimat – gerettete Zunge?“ Der Versuch einer Antwort wirft eine Reihe von Implikationen auf, die in neue Fragestellungen münden wie: Was und wie wurde etwas gerettet von dem literarischen Erbe, das in den schöpferischen Werken der auf Deutsch schreibenden Autoren angelegt ist? Welchen Rezeptionsbedingungen sind Texte ausgesetzt, die meist unter großen Schwierigkeiten und noch dazu in zensierter Fassung verlegt wurden? Was also ist gerettet worden, aufgehoben in der Literaturkritik, eingemündet in die entstehende Literaturgeschichte? Was ist und was wird bewahrt, um denen etwas zu überliefern, die in der deutschen Sprachheimat geblieben sind und seit 1990 von den literarischen Werken „ihrer“ Schriftsteller und Dichter aus den wieder entstandenen kleinen Verlagsanstalten geistig versorgt werden? Auf welche Weise aber werden auch die aus ihren rumänischen Siedlungsorten in die Bundesrepublik Deutschland ausgewanderten Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen mit Büchern ihrer Lieblingsautoren bekannt gemacht? Die sich daraus ergebende Frage zielt auf die Brückenfunktion derjenigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in dieser Anthologie versammelt sind wie auch derjenigen Autorinnen und Autoren, die sich wie Herta Müller und Richard Wagner einer weltweiten und deutschlandweiten Anerkennung erfreuen und aus unterschiedlichen Gründen nicht an der Tagung teilnehmen konnten. Es bleibt also die Frage: Welche literarischen Schätze transportieren diese Werke aus den beiden, nunmehr sprachlich ausgedünnten großen Siedlungsgebieten in die bundesrepublikanische literarische Öffentlichkeit? Mit welchen transformierten ästhetischen Verfahren sind diejenigen Texte ausgerüstet, die vor allem in den letzten zwanzig Jahren für den deutschen Literaturmarkt geschaffen wurden? Erweist sich die Zungen-Metaphorik in dem eingangs zitierten Gedicht von Hellmut Seiler als Wegweiser in eine vielschichtig zerklüftete, von vielen Unstimmigkeiten und Entfremdungen erfüllte „Heimat“ als der existentiell und schöpferisch ideale neue Ort? Mit welchem Zungenschlag sind die mehr als drei Dutzend bereits in Rumänien publizierenden Autorinnen und Autoren in der neuen Heimat angekommen? War es noch eine „alte“ Heimat, die nach den Worten von Seiler „sich an sich selbst verschluckt“? Oder ist es nunmehr eine „neue“ Heimat, in der die Angekommenen sich wieder einer Sprache bedienen, in der die geretteten sprachlichen Wurzeln neu verortet werden müssen? In der ihr „randständiges“ Idiom sich auf dem umkämpften literarischen Feld behaupten muss. Und nicht zuletzt: Gibt es bemerkenswerte literarische und ästhetische Ansätze, in denen die Abwendung von den tradierten stilistischen und ethnisch fundierten, oft auch ideologisierten Schreibweisen die Voraussetzung für den Durchbruch auf dem turbulenten deutschsprachigen Literaturmarkt sind? Zeichnen sich fremde Verfahren ab, die gewohnte, eingefahrene Darstellungen von historischen Abläufen und pathologischen Handlungsweisen durchbrechen? Mit solchen Fragestellungen ausgerüstet erkundigen sich die Veranstalter der Tagung, neben den bereits erwähnten ästhetischen Aspekten der abgedruckten Texte, auch nach dem informativen Gewinn von Texten. Sie führen uns nicht nur in die „alte“ Heimat, sondern entfernen sich aus den nationalen Gefilden, um sich in transkulturellen Kontexten mit „Cross-over“-Erkenntnissen aus unterschiedlichen Wahrnehmungsbereichen auszustatten. Auf diesen breit angelegten Textfeldern kommen unterschiedliche perspektivische Einstellungen gegenüber der beschriebenen ‚Welt’ zum Ausdruck. Das führt unter anderem auch zur Frage, ob bestimmte narrative Verfahren an Attraktivität gewinnen, wenn sie sich eines regionalsprachlichen Kolorits bedienen, um kulturelles Substrat zu retten und auch die Generationen übergreifende Gedächtnisarbeit zu fördern. Die vorliegenden Tagungstexte und ergänzenden Beiträge vermögen zum Beispiel bestimmte Einblicke in politisch brisante Phasen der rumänischen Nachkriegsgeschichte zu geben. Hans Bergel, der seit 1968 in der Bundesrepublik lebt, hat in zahlreichen Romanen und Erzählbänden seine repressiven Erfahrungen mit dem kommunistischen Regime aufgearbeitet. In den beiden Erzählungen „Der Barackentrottel“ und „Der Major und die Mitternachtsglocke“, die den Bereich der Prosa einleiten, berichtet ein Ich-Erzähler über seine Begegnung mit Häftlingen in einer Baracke im Straflager und über den Ablauf einer Minute vor der Urteilsverkündigung im berüchtigten Kronstädter Schriftsteller-prozess im Jahr 1959. In beiden narrativen Strukturen überwiegt die distanzierte Beschreibung der Umstände, unter denen die Häftlingen und Untersuchungsgefangenen der staatlichen Willkür ausgeliefert sind. Es sind Umstände, die aber auch die Voraussetzungen für den Widerstand gegen manipulierte Aussagen und erzwungene Geständnisse liefern. Johann Lippet, Autor einiger Romane und Erzählbände über die dörfliche Welt des Banats, macht seine Leser in der Erzählung „Über Kimme und Korn“, ein Auszug aus dem Roman „Bruchstücke aus erster und zweiter Hand“ (2012), mit autobiographisch verdichteten Erlebnissen vertraut. Sein jugendlicher Ich-Erzähler, ausgestattet mit dem Erfahrungswissen der älteren Generation, berichtet auch über die kläglichen Ergebnisse der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft, über den Betrug des rumänischen Staats an den Kleinbauern, die für das enteignete Land keine Entschädigung erhielten und über das Kopfgeld, das der rumänische Staat der Bundesrepublik Deutschland für die auswandernden Bauern abverlangte. Es sind eingehende, ethnologisch verdichtete Bilder aus einer untergehenden Welt, die längst ihre magische Anziehungskraft verloren hat. Aus einer gänzlich anderen Perspektive nehmen die Protagonisten in Balthasar Waitz’ Erzählband „Krähensommer und andere Geschichten aus dem Hinterland“ (2011) die dörfliche, nicht mehr vertraute Welt wahr. Ein Wir-Erzähler, in dem das gemeinschaftliche Wissen über die Gewohnheiten der Musiker einer Blaskapelle wie auch anderer Dorfbewohner gespeichert ist, plaudert frank und frei die Geheimnisse aus, um die es in dieser Welt geht: um illegitime Beziehungen, um uneheliche Kinder, um kuriose Verhältnisse bei den Auftritten der „schwäbischen Blaskapelle“ und natürlich um Besäufnisse. Es ist eine chaotisch sich verhaltende und zugleich gedemütigte dörfliche Gemeinschaft, die die neue sozialistische Ordnung im Dorf misstrauisch und ängstlich beobachtet. Sie leidet unter ihr, wie in „Die große Aufruhr im Dorf“. Kommunistische Funktionäre setzen unter Androhung von Strafen die Technisierung der entstehenden Kolchosen durch. Aus diesem Grund lassen sie die Pferde, materielle und emotionale Absicherung der Kleinbauern, abschlachten. Sie vernichten mit dieser hirnverbrannten Willkür nicht nur jahrhundertelange dörfliche Traditionen, sie erniedrigen und traumatisieren auch die schwäbischen Bauern, unter denen die meisten zwischen 1945 und 1950 in ukrainisch-sowjetischen Straflagern Sklavenarbeit leisten mussten. Bis in die frühen 1940-er Jahre zurück reichen die Handlungsstränge in der Erzählung „Schwarzer“. Diesen Spitznamen trägt der Dorfarzt, dessen Praxis sich in dem ehemaligen Bekleidungsgeschäft des Juden Krebs befindet. Der vor den Nazis in die USA geflohene Kaufmann bleibt in der Erinnerung der Dörfler mit einer gleichsam paradoxen Begründung: „Der Krebs war der beste Mensch auf der Welt, wenn er nur, um Gottes Willen, nicht ein Jude gewesen wäre.“ Gerhard Ortinau, einer der wesentlichen Protagonisten der „Aktionsgruppe Banat“, seit seiner Emigration 1980 in Berlin lebend, setzt sich in seinem Prosatext „Wehner auf Öland. Eine Verkleinerung“ in der Form eines inneren Monologs mit dem bekannten, 1990 verstorbenen SPD-Politiker auseinander. Wehner, der nach seinem Aufenthalt in Moskau als Mitglied der KPD im Auftrag der Komintern 1941 nach Schweden geschickt wurde und dort zwischen 1942 bis 1946 inhaftiert war, hatte sich in den späten 1950-er Jahren ein Ferienhaus auf der schwedischen Insel Öland gekauft. Dort verbrachte er gemeinsam mit Ehefrau und seiner Stieftochter Greta nach dem Rückzug aus dem Parteileben 1982 seine letzten Lebensjahre, schwer gezeichnet von Multi-Infarkt-Demenz. Ortinaus Monolog-Text stellt eine auf vielen Ebenen ablaufende quälende Abrechnung der Figur Wehner mit sich selbst dar. Sie bezieht sich auf die dokumentarisch belegten Denunziationen von Parteimitgliedern in der Moskauer NKWD-Zentrale, seine abgründigen Visionen und apokalyptisch ausgemalten Lebensbilder, auf seine verächtlichen Äußerungen über ehemalige Parteifunktionäre. Während Wehner – in der Funktion einer mit dramatischen Effekten aufgeladenen Figur des politischen Welttheaters – allmählich seine Identität verliert, kreist um die Insel das mythische Totenschiff Naglfar. Es ist ein mutig konstruierter, vielschichtiger Text, dem man in naher Zukunft eine dramaturgische Inszenierung wünscht. Die lyrischen Texte des Tagungsbandes tragen sehr unterschiedliche Handschriften, an denen sich multiperspektivische Kulturmodelle abzeichnen. Ilse Hehns bilderreiche, ornamental aufgeladene Reiseimpressionen erfassen ägyptische Kulturdenkmäler wie auch Alltagssituationen aus der Sicht eines kunstwissenschaftlich bewanderten lyrischen Ichs. Dabei überlagern sich visuelle, olfaktorische und taktile Wahrnehmungsfelder. Anders strukturiert erweisen sich die Begegnungen mit dem aus der Jugendzeit vertrauten Temeswar im Banat. Die nunmehr entfremdete Atmosphäre spiegelt sich in zerbrochenen Erinnerungsbildern, die sich beim Rundgang durch „heimatliche“ Gefilde ebenso einstellen wie in den verlogenen Empfindungen: „das nichtgesagte Wort / ist Schmerz / schamlos das gesprochene“. Franz Heinz’ poetische Visionen bedienen sich europäischer Topographien, um sich mit existentiellen Fragen wie Überleben in der Zivilisation oder die Wahrnehmung von Naturräumen durch eine verunsicherte Psyche auseinanderzusetzen. Klaus Hensels lyrisches Ich hingegen beklagt sich in „Wie ein guter Tag“ über den Verlust der Zeitwahrnehmung. Sie komme als Flaschenpost zurück, die wie „ein Fingerzeig in dem Buch Glas, Ironie und Gott als Widmung“ auftaucht. Dennoch erweisen sich die Erinnerungsstränge als tragfähig genug, um die Bukarester produktive Zeit wachzurufen, wie den literarischen Diskurs mit Heinz Czechowski, einem bekannten Vertreter der sächsischen Dichterschule. Franz Hodjak, renommierter Lyriker und Prosaautor, beschäftigt sich in den vorliegenden Gedichten mit bedeutenden Kunstwerken, wie dem Heilig Blut Altar von Tilman Riemenschneider in der Rothenburger St. Jacobs-Kirche oder Yves Kleins Gemälden, gestaltet im International Klein Blue (IKB), einer Mischung aus tiefdunklem Blau und Ultramarin. Er reflektiert einstige Begegnungen mit den Gagausen, einer altgläubigen Sekte im Raum zwischen Rumänien und der Ukraine, oder den Lipowenern, einer Ethnie, die im Donaudelta lebt, deren Stimmen „verständlicher / als jede Stimme, egal, woher / sie kommt“ seien. Seine Widmungsgedichte für die Dichterkollegen Horst Samson und Georg Aescht wie auch für den Herausgeber der Dresdner Literaturzeitschrift „Ostragehege“, Axel Helbig, sind mit poetisch aufgeladenen Metaphern und konkreten Topoi versehen, die sich auf lieb gewonnene Begegnungen an Orten beziehen, an denen sich natürliche, zivilisatorische und phantasiebeladene Phänomene überlagern. Johann Lippets „Hyperlinks“ sind reich an ländlich und dörflich idyllischen Bildern, die durch die Eingriffe der Staatsmacht zerstört werden. Sie wirft dem lyrischen Erzähler die Herstellung von „staatsfeindlichen Schriften“ vor, klagt ihn wegen deren Verbreitung an. Horst Samsons Poetik ist von der Sehnsucht nach dem im Weltall fixierten, einzigartigen Augenblick erfüllt. In seinen lyrischen Verfahren gehen die Tageszeiten ineinander über, Phänomene der Natur verbinden sich mit moralischen Kategorien und Erinnerungen an geschätzte Zeitgenossen überschreiten „unsere Zeit in den Urnen“. Dieter Schlesaks poetologisch verdichtete Reflexionen spüren seit den 1970-er Jahren die Ontologie eines Daseins auf, das ihn, den philosophisch gebildeten Wanderer zwischen Rumänien, Deutschland und Italien und den gelegentlichen Heim- und Rückkehrer aus Siebenbürgen, zu Aussagen bewegt, die Zeit und Raum transzendieren. In diesem schwebenden und zugleich an Orte und Körper festgemachten Diskurs wird der Zuhörer plötzlich von der Tragik des von Herrschaftszwängen erfüllten Seins aufgeschreckt, wie in Schlesaks Poem „Einem, der nie ankam“. Es ist dem Dichter Rolf Bossert gewidmet, der nur wenige Monate nach seiner Ankunft in Deutschland sich am 17. Februar 1986 in Frankfurt am Main, im Übergangswohnheim für Aussiedler, das Leben nahm. „Du aber kommst von unten. Und du hast einen Körper / verfügt der Beamte, schließt die Akte Deutschland / im Himmel. Du aber kamst blutend ins Nichts.“ Hellmut Seilers semantisch, syntaktisch und rhythmisch durchstrukturiertes Gedicht über die gerettete Heimatzunge, das als Motto für diesen Tagungsband benutzt wird, analysiert auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen jene verschwimmenden „heimatlichen“ Gefühle, die von der Grobheit der geschichtlichen Abläufe getroffen, sich – einem Zungentanz gleich – gegen die verräterische Sprache (vgl. „Zungenschlagseite“) wenden. Die Zunge verwandele sich damit in einen „blamierte(n) Füllungsgehilfe(n) der Peristaltik“; die „sich an sich selbst verschluckt“. Seilers hoch reflektierte Poetik durchdringt auch das Gedicht „Verfolgte verfolgen Verfolger“, das von der Wachheit gegenüber den eigenen verräterischen, von bloßer Mimikry erfüllten Gedanken zeugt. Das Genre der Dramatik, das in der deutschsprachigen Literatur Rumäniens bislang unterbewertet ist, wird in diesem Band durch Frieder Schullers Theaterstück „Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch“ präsentiert. Der Autor, der seit den frühen achtziger Jahren in Deutschland lebt, ist seit 1990 wieder mit seinem Heimatort Katzendorf (rum. Caţa) in vieler Hinsicht verbunden. Er dient ihm als Inspirationsquelle, als dörflicher Kulturspeicher und als Schatztruhe ethnischer Bräuche. Das 2012 im Deutschen Theater Hermannstadt aufgeführte Stück, das hier in Auszügen publiziert wird, ist eine Politfarce. Die in ihr auftretenden Figuren Dan, ein Genosse und Mitläufer, Silvia, das Flittchen Poesie, Paul, ein Handlanger, Nicu, der politische Witz, dem es in der Diktatur prächtig geht, danach aber miserabel, und Ossi, ein Rundfunkreporter, sind Wesen mit zweierlei Überlebensstrategien. Sie passen sich in der Diktatur an, erzählen sich im Flüsterton politische Witze, denunzieren auch mal einen unliebsamen Kollegen, flirten mit dem Flittchen Poesie und spielen nach der Revolution die unbeugsamen Widerständler, sind auf der Suche nach lukrativen Jobs bei der Schnellverwertung von brisanten Stoffen und Kriminal-stories. Auf ihrem theatralischen Spielfeld bedienen sie sich unterschiedlicher dramatischer Formen. Die mit Couplets und volkstümlichen Versen wie auch mit witzigen Anspielun-gen gefütterten Dialoge brechen die ideologisch gesättigte offizielle Rede auf, entblößen die Funktion von geheuchelter Staatslyrik, machen nicht Halt vor der Kritik an der Besserwisserei westlicher Journalisten und setzen sich in der Figur des Ossi auch mit wissentlicher Denunziation und Verrat auseinander. Die essayistischen Beiträge widmen sich Themenfeldern, auf denen unterschiedliche Aspekte behandelt werden. Es ist die Rezeption deutschsprachiger Literatur aus Rumänien in einigen europäischen Ländern (Ingmar Brantsch) und die Beleuchtung der Innen- und Außenwelt des Banats an zwei narrativen Texten (Walter Engel). Franz Heinz setzt sich mit dem Bestseller „Die deutsche Seele“, einer Koproduktion von Thea Dorn und Richard Wagner, auseinander und bewertet sie als geglücktes Beispiel für eine produktive Wiederentdeckung der (deutschen) Innerlichkeit. Peter Motzan analysiert die Erfolgs- und Endzeitgeschichte der deutschsprachigen Literatur aus Rumänien. Horst Samson erzählt am Beispiel seines Gedichts „Pünktlicher Lebenslauf“ einen Abschnitt aus dem Lebenslauf seines Vaters unter einem doppelten Blickwinkel, als bildunterstützte Projektion und nachempfundene Vision der Kriegserlebnisse aus der Sicht des Sohnes und als Versuch, mittels eines Motorrads, Marke NSU, den Vater in die virulente Erinnerung zurückzuholen. Renate Windisch schließlich vergleicht am Beispiel der Lebensläufe von zwei Autoren aus unterschiedlichen Generationen: Hans Bergel, geboren 1925 in Rosenau bei Kronstadt, und Horst Samson, geboren 1954 in der Bãrãgan-Steppe, wo Bergel als Strafgefangener in den frühen fünfziger Jahren lebte, die unterschiedlichen und gemeinsamen Merkmale von Schriftstellerkarrieren unter einem kommunistischen Regime und unter den Bedingungen einer Demokratie. Die der Intention und dem Charakter eines Essays eigenen Argumentationsstrukturen schlagen sich in den einzelnen Beiträgen in stark voneinander abweichenden Beweisführungen nieder. Der Literaturwissenschaftler und Prosaautor Ingmar Brantsch listet in der Rolle des Rezensenten die Beiträge in dem Sammelband „Ost-West-Identitäten und – Perspektiven. Deutschsprachige Literatur in und aus Rumänien im interkulturellen Dialog“ (2012) zunächst summarisch auf, indem er die Studien derjenigen Germanisten bewertend nennt, die sich um die Rezeptionsforschung deutscher Literatur aus Rumänien in universitären Seminaren und Projekten kümmern. Sein fundiertes Wissen um literaturhistorische Abläufe und ästhetische Beziehungsfelder befähigen ihn, nicht nur die Ergebnisse dieser Forschungen im Hinblick auf die schwierige Rezeption der deutschen Literatur aus Rumänien in deutschsprachigen und anderen europäischen Ländern einzuschätzen. Es gelingt ihm auch, wesentliche ästhetische Faktoren aus den umfangreichen Untersuchungsmaterialien hervorzuheben, die als Grundlage für die Anerkennung der Werke von Herta Müller, Oskar Pastior oder Rolf Bossert in dem bundesdeutschen Feuilleton dienen. Mehr noch: Er stemmt sich gegen die These von der abgewanderten rumäniendeutschen Literatur, die er mit dem Verweis auf deutsch publizierende literarische Talente rumänischer Herkunft stützt. Mit dieser, angesichts gewisser Kassandrarufe sich aufdrängenden Fragestellung beschäftigt sich Peter Motzan. „Eine Erfolgs- und/oder eine Endzeitgeschichte? Zur Präsenz (ex)rumäniendeutscher Autoren im bundesdeutschen Literaturbetrieb“ nennt er seine Publikations- und Rezeptionsgeschichte, die er mit einem Zitat des aus der Bukowina stammenden Dichters Alfred Kittner aus dem Jahr 1971 einleitet: „…die rumäniendeutsche Lyrik (ist) weit besser als ihr Ruf, denn sie hat gar keinen.“ An diesem Zustand habe sich auch bis zum Beginn der 1990er Jahre nichts geändert. Der dann eingeleitete Publikations- und Rezeptionsprozess habe den deutschsprachigen Autoren aus Rumänien bis zur Verleihung des Literaturnobelpreises an Herta Müller eine breit angelegte Anerkennung gebracht, deren ästhetisch innovative Merkmale Peter Motzan wie folgt definiert: „Sie (die rumäniendeutschen Autoren, WS) durchstoßen eingerostete Wahrnehmungen und Eigenstereotype, verfremden das Vertraute ins Unvertraute, spüren die Diskrepanzen zwischen Zeichen und Bezeichnetem, zwischen Schein und Sein auf, entwickeln ungewohnte und erhellende Sichtweisen auf die deutsche Wirklichkeit und die Gesinnungslage der Nation, als deren Teil sie sich begreifen.“ Diese überzeugend dargelegten ästhetischen und literatursoziologischen Wirkungsmechanismen sind auch der Gegenstand der Ausführungen, die Olivia Spiridon in ihrem Tagungsbeitrag unter Verweis auf ihre 2012 erschienene Anthologie „Deutsche Erzähler aus Rumänien nach 1945“ präsentiert. Ihre Fragestellung „Wer liest heutzutage ‚rumäniendeutsche’ Literatur?“ zielt zunächst – nach der einleitenden Klärung des Begriffs, einer „bizarren Nomen-Adjektiv-Verbindung“ – auf die Festlegung von potenziellen „Kundenkreisen“, die sich für diese Minderheitenliteratur interessieren könnten. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es drei Lesergruppen gebe: die aus den südosteuropäischen Kulturkreisen stammende deutschsprachige Gruppe, der Leserkreis aus den deutschsprachigen Gebieten, dessen Mitglieder ein gewisses Interesse für randständige Kulturen entwickeln, die den Zwängen von Diktaturen ausgesetzt waren, und eine rumänische Lesergruppe, die aufgrund von zukünftig zahlreicheren zweisprachigen Veröffentlichungen und Übersetzungen in ihre Muttersprache Zugang zu einer Reihe von deutschsprachigen Werken hätten. Vor allem die beiden zuletzt genannten Leserkreise müssten, so Spiridon, in literaturgeschichtliche und thematische Hintergründe der veröffentlichten „rumäniendeutschen“ Werke eingeweiht werden. Aus diesen Erwägungen heraus plädiert sie für die Einfügung von ausführlichen Kommentaren, um diese Lesergruppen auf der Grundlage von kulturgeschichtlichen, soziokulturellen und auch politischen Informationen mit den Kontexten der literarischen Werke vertraut zu machen. Auf welche Weise ein Autor aus dem rumäniendeutschen Kulturkreis einen spezifischen Beitrag zur Bereicherung der deutschen Sprachgeschichte leistet, kommentiert und analysiert Franz Heinz in seinen rezeptionsästhetischen Ausführungen zum kulturhistorischen Nachschlagewerk „Die deutsche Seele“ (2011). Die von Thea Dorn und Richard Wagner geschaffene Publikation mit enzyklopädischem Charakter, die auf dem deutschsprachigen Büchermarkt zahlreiche Rezensionen und einen breiten Absatz gefunden hat, hinterlasse, so Heinz, manche prägnante Spur, deren Ursprung auf die heimatliche Erfahrung im Banat zurückzuführen sei. Die Erinnerung an die „Streiflichter aus dem Elternhaus“ veranlassten Richard Wagner, der seine Herkunft einst als „Rühreilandschaft“ bezeichnet habe, zu einem Bekenntnis zu dem schönen deutschen Wort Heimat. Gibt es ein überzeugenderes Argument für die Notwendigkeit, randständige Kulturbereiche in eine deutsche Kultur aufzunehmen, in der die Wiederkehr der Innerlichkeit nunmehr mit neuen Akzenten versehen wird? Dieser vergleichenden Betrachtung von zwei Landstrichen an den Randzonen von Mitteleuropa ist auch Walter Engel in seinem transparent gestalteten Beitrag über Innen- und Außenwelten des Banats nachgegangen. Auf der Grundlage von zwei Erzählwerken, Esther Kinskys „Banatsko“ (2011) und Balthasar Waitz’ „Krähensommer und andere Geschichten aus dem Hinterland“ (2011) zeichnet er den kulturellen Niedergang des Banats nach, einer Landschaft, die aus drei Siedlungsgebieten besteht. Er verweist auf die unterschiedlichen perspektivischen Einstellungen und Erzählverfahren bei der Beschreibung rumänischer, serbischer und ungarischer beziehungsweise ehemaliger deutscher Dorfkulturen, deren Geschichte nunmehr den literarischen Rohstoff für melancholische, aber auch für humorvolle und ironische Betrachtungen liefern. Der vorliegende Tagungsband ist dank der Bemühungen von Horst Samson um die Zusammenkunft der Autorinnen und Autoren wie auch der Referentinnen und Referenten zustande gekommen. Besonderer Dank gilt dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, dessen finanzielle Förderung die Tagung und die vorliegende Publikation erst ermöglichte. Wir hoffen, dass die Publikation, die so viele substantielle Aspekte der Bedeutung der rumäniendeutschen Literatur für die deutschsprachigen Kulturlandschaften anspricht, ein breites Echo in der Öffentlichkeit findet. Wolfgang Schlott, Präsident des Exil-P.E.N. (Bremen, im Februar 2013)
Aktualisiert: 2023-05-30
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„Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“

„Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“ von Hamersky,  Heidrun, Hehn,  Ilse, Schlott,  Wolfgang, Shahla,  Aghapour
Die Entstehung des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder im International P.E.N. geht in der informellen Gründungsphase auf eine nach 1948 aus kommunistischen Staaten geflüchtete Gruppe von Schriftstellern und Journalisten zurück. Es war eine Organisation von Autoren aus Ostmitteleuropa und der Iberischen Halbinsel, die sich in London herausbildete. Aufgrund der Bemühungen der polnischen Schriftstellerin Maria Kuncewiczowa wie auch dem Engagement von Autoren aus Ungarn, der Tschechoslowakei und den baltischen Ländern entstand das Centre for Writers in Exile, das im Juni 1951 in Lausanne ins Leben gerufen wurde. Dieses Zentrum diente als Vorbild für den zunächst losen Zusammenschluss der aus osteuropäischen Staaten geflüchteten Autoren, die in der Bundesrepublik Deutschland vor allem nach 1956 aus Ungarn und nach 1968 aus der Tschechoslowakei Asyl suchten. Seit den 1980er Jahren wurden auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller in den Exil-P.E.N.-Club, dem Vorläufer des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder, aufgenommen, die wegen antisemitischer Ausschreitungen und nationalistisch motivierter Verfolgungen ihre Heimat in mittelasiatischen Sowjetrepubliken und in Russland verlassen mussten. Hinzu kamen nach 1990 aus politischen Gründen verfolgte Autoren aus dem Iran, Syrien, Vietnam, Togo, Kuba wie auch eine Gruppe von Schriftsteller/innen, die aufgrund nationalistischer Diskriminierungen ihre angestammten Lebensräume in Südosteuropa aufgeben mussten. Gegenwärtig gehören dem Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder 90 Mitglieder an. (vgl. Dorothée Bores, Sven Hanuschek (Hrsg.). HANDBUCH PEN. GESCHICHTE UND GEGENWART DER DEUTSCHSPRACHIGEN ZENTREN. Berlin/Boston 2014, S. 448-480)
Aktualisiert: 2023-05-30
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Silesia Nova. Zeitschrift für Kultur und Geschichte / Silesia Nova

Silesia Nova. Zeitschrift für Kultur und Geschichte / Silesia Nova von Andruchowytsch,  Juri, Bialek,  Edward, Krell,  Detlef, Manko-Matysiak,  Anna, Maruck,  Thomas, Pacholski,  Jan, Pietsch,  Martina, Prochasko,  Jurko, Rott,  Joachim, Ruchniewicz,  Krzysztof, Sachs,  Rainer, Schlögel,  Karl, Schlott,  Wolfgang, Schönfelder,  Andreas, Sterbling,  Anton, Wenerski,  Lukasz, Zawada,  Andrzej, Zebrowska,  Anna, Zerelik,  Roscislaw
Silesia Nova wird seit 2004 herausgegeben von deutschen und polnischen Geisteswissenschaftlern und Publizisten. Die Vierteljahresschrift befaßt sich mit Themen der schlesischen Kulturgeschichte, der europäischen Gegenwart und der deutsch-polnischen Beziehungen. Themen dieser Ausgabe: Ukraine und Europa. Gedenken an Tadeusz Rózewicz. Ausstellung "Adel in Schlesien und in der Oberlausitz". Paul Keller. Wolfgang Jaenicke.
Aktualisiert: 2022-10-03
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Hans Paasche

Hans Paasche von Donat,  Helmut, Kraschutzki,  Heinz, Lange,  P Werner, Reulecke,  Jürgen, Schlott,  Wolfgang, Scholz,  Gernot, Seidel,  Eike Andreas
Hans Paasche, wegen seiner Gegnerschaft zum Militarismus und Kolonialismus im Mai 1920 als Kapitänleutnant a.D. ein Opfer rechter Lynchjustiz, ist „modern“ geblieben. Seine Warnungen vor dem Raubbau an der Natur und der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen klingen wie Aufrufe aus unseren Tagen. Gleiches gilt für seine Absage an jedweden Versuch, deutsche und europäische Lebensformen in andere Teile der Welt zu exportieren. Ebenso treffen seine Aussagen zu Krieg und Frieden, zu Afrika und Europa, Eigensucht und Respekt vor Andersdenkenden, dem Umgang mit Tieren, der Umwelt, dem Alkohol und Fleischessen noch heute ins Mark. Sein ungewöhnliches Leben für eine bessere Zukunft ist ebenso wiederzuentdecken wie sein Appell „Ändert Euren Sinn!
Aktualisiert: 2022-06-30
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Kriminelles und Abwegiges

Kriminelles und Abwegiges von Schlott,  Wolfgang
Die Erzählungen bilden einen Ausschnitt aus den vergangenen zwanzig Jahren meines literarischen Schaffens. Sie verbinden das Genre des Kriminalromans mit grotesken Visionen und skurrilen Inspirationen. Dabei bedienen sie sich abwegiger und merkwürdiger Ereignisse, indem sie aus der Perspektive komischer Zeitgenossen und kauziger Persönlichkeiten ihre Welt auf den Kopf stellen oder selbst Opfer ihrer merkwürdigen Handlungen werden. Ihre Erzähler schlüpfen dabei in unterschiedliche Rollen und verletzen bewusst liebgewonnene Tabus. Alle Sujets stammen aus dem gegenwärtigen und einstigen zweigeteilten Deutschland wie auch der Tschechoslowakei nach dem „Prager Frühling“. Übereinstimmungen mit noch lebenden Persönlichkeiten sind rein zufällig. Ihre Konturen verblassen, je länger sich Leser/innen während des Erzählvorgangs mit den Personen der Handlung identifizieren. Wolfgang Schlott In der hier vorliegenden Sammlung von Erzählungen wendet Wolfgang Schlott virtuos unterschiedliche Erzähltechniken an, die von der Ich-Perspektive, dem Kommentar, einer Art Drehbuch im Stile eines Tatort-Krimis in der ARD bis hin zu skurrilen Elementen reichen. Überhaupt das Skurrile: Was im wissenschaftlichen Betrieb ‚abwegig‘ wäre, ist in einer Erzählung wie etwa „Märtyrer gesucht“ bis zum Lächerlichen überzeichnet, weil deren Quellen manipuliert sind (oder sein könnten) und die handelnden Personen als Sekte ‚kriminell‘ agieren. Dieser ‚gegenstandslosen‘ Wissenschaft entspricht der sich ‚auflösende‘ Erzähler inmitten einer Konstellation aus Verlogenheit, Anmaßung und Fake-News. (…) Für Wolfgang Schlott ist Erzählen ein Grenzgang zwischen starker Imagination, Verzauberung und Entzauberung, Austesten der Handlungsmöglichkeiten, bitterem Ernst und Schalk, Einsicht in die Vergeblichkeit und dem Reiz am steten Neubeginn. Erzählen ist für ihn Beruhigung durch das Schreiben selbst: nämlich eine Spur zu legen, die bleibt. Frank Eckart Lieferbare Titel von Wolfgang Schlott: – „Heimat – gerettete Zunge. Visionen und Fiktionen deutschsprachiger Autoren aus Rumänien“, 2013, Eine literarische Begegnung. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Wolfgang Schlott. Horst Samson (Hrsg.), Ingmar Brantsch,Hans Bergel, Walter Engel,Ilse Hehn, Franz Heinz, Klaus Hensel, Franz Hodjak, Johann Lippet, Dieter Schlesak, Olivia Spiridon, Horst Samson, Peter Motzan, Gerhard Ortinau, Friedrich Schuller, Hellmut Seiler, Balthasar Waitz: Heimat – gerettete Zunge. Visionen und Fiktionen deutschsprachiger Autoren aus Rumänien. (UNIVERSITAS Sammlung) 373 S. ISBN: 978-3-86356-051-5, € [D] 25,– € [AT] 25,– SFr [CH] 35,- – Heidrun Hamersky, Ilse Hehn, Wolfgang Schlott (Hrsg.): „Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“ Schreiben im Exil. Fragmentarium; 282 Seiten, 19,90 € ISBN 978-3-86356-131-4 – Kriminelles und Abwegiges. Skurrile Erzählungen. Reihe Epik Bd. 111; ISBN: 978-3-86356-302-8; 195 Seiten, €[D]16,50
Aktualisiert: 2020-09-10
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Silesia Nova. Zeitschrift für Kultur und Geschichte / Silesia Nova

Silesia Nova. Zeitschrift für Kultur und Geschichte / Silesia Nova von Bialek,  Edward, Findeisen,  Silke, Henke,  Christian, Jozwiak,  Agnieszka, Koning,  Henk J, Krell,  Detlef, Kügler,  Martin, Manko-Matysiak,  Anna, Maruck,  Thomas, Rapp,  Karolina, Ruchniewicz,  Krzysztof, Sachs,  Rainer, Schlott,  Wolfgang, Sternaux,  Ludwig, Trepte,  Hans-Christian, Wojtala,  Adam, Zaprucki,  Józef, Zawada,  Andrzej, Zerelik,  Roscislaw
Silesia Nova wird seit 2004 herausgegeben von deutschen und polnischen Geisteswissenschaftlern und Publizisten. Die Vierteljahresschrift befaßt sich mit Themen der schlesischen und europäischen Kulturgeschichte, der europäischen Gegenwart und der deutsch-polnischen Beziehungen. Themen dieser Ausgabe: Deutsch-polnische Freundschaft – die Geschichte eines Bildes; Schlesische Identität – Ausstellung im Haus Schlesien; Das Wanda-Motiv im polnischen und internationalen Kulturkontext; Holteis Roman "Ein Schneider"; Der Görlitzer Bauingenieur Alexander Kaufmann in Breslau; "Schlesische Volksblätter"– Bikonfessionalität und Toleranz; Der Görlitzer Fotograf Alfred Jäschke; Der Berliner Philharmoniker Bernhard Alt; Tagungsbericht: Reformation; In einem Zug gelesen – Ludwig Sternaux: "Herbstfahrt an die Ostsee"; Rezensionen
Aktualisiert: 2022-10-03
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Vertreibung, Verfolgung, Vernichtung

Vertreibung, Verfolgung, Vernichtung von Donat,  Helmut, Hofmann,  Tessa, Koutcharian,  Gerayer, Schlott,  Wolfgang
Das vorliegende Album, in enger Verbindung mit einer Fotoausstellung entstanden, bringt die Geschichte eines Staatsverbrechens in Erinnerung, zu dem es ohne die „Nebelwand“ eines Weltkrieges vermutlich nicht gekommen wäre – zumindest nicht in dem uns gegenwärtig bekannten Ausmaß. Es wird in der Türkei bis heute von offizieller Seite bestritten oder heruntergespielt. Schon im Mai 1915 drohten Großbritannien, Frankreich und Russland der osmanischen Regierung wegen der Vernichtung der ArmenierInnen – umschrieben als „neuerliche Verbrechen gegen die Menschheit und Zivilisation“ – ein internationales Strafgericht an. Es hat nie stattgefunden. Auch der deutsche Umgang mit dem Genozid von 1915 stellt bis heute ein mehr als trauriges Kapitel dar. Er war und ist geprägt von Willfährigkeit – gegenüber dem Osmanischen Reich als einstigem Verbündeten sowie den derzeit Regierenden in Ankara. Statt der Wahrheit die Ehre zu geben, eigene Schande zu bereuen und daraus die Folgen zu ziehen, kommt man den Tätern und Leugnern des Völkermordes auf halbem Wege entgegen und schickt die Opfer und deren Nachfahren erneut in die Wüste. Von dem Verkaufserlös des Buches geht pro Exemplar 1 € als Spende an die Berliner Ökumenische Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich.
Aktualisiert: 2019-07-25
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„Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“

„Die Sehnsucht, die ist mir so leicht“ von Hamersky,  Heidrun, Hehn,  Ilse, Schlott,  Wolfgang, Shahla,  Aghapour
Die Entstehung des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder im International P.E.N. geht in der informellen Gründungsphase auf eine nach 1948 aus kommunistischen Staaten geflüchtete Gruppe von Schriftstellern und Journalisten zurück. Es war eine Organisation von Autoren aus Ostmitteleuropa und der Iberischen Halbinsel, die sich in London herausbildete. Aufgrund der Bemühungen der polnischen Schriftstellerin Maria Kuncewiczowa wie auch dem Engagement von Autoren aus Ungarn, der Tschechoslowakei und den baltischen Ländern entstand das Centre for Writers in Exile, das im Juni 1951 in Lausanne ins Leben gerufen wurde. Dieses Zentrum diente als Vorbild für den zunächst losen Zusammenschluss der aus osteuropäischen Staaten geflüchteten Autoren, die in der Bundesrepublik Deutschland vor allem nach 1956 aus Ungarn und nach 1968 aus der Tschechoslowakei Asyl suchten. Seit den 1980er Jahren wurden auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller in den Exil-P.E.N.-Club, dem Vorläufer des Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder, aufgenommen, die wegen antisemitischer Ausschreitungen und nationalistisch motivierter Verfolgungen ihre Heimat in mittelasiatischen Sowjetrepubliken und in Russland verlassen mussten. Hinzu kamen nach 1990 aus politischen Gründen verfolgte Autoren aus dem Iran, Syrien, Vietnam, Togo, Kuba wie auch eine Gruppe von Schriftsteller/innen, die aufgrund nationalistischer Diskriminierungen ihre angestammten Lebensräume in Südosteuropa aufgeben mussten. Gegenwärtig gehören dem Exil-P.E.N. deutschsprachiger Länder 90 Mitglieder an. (vgl. Dorothée Bores, Sven Hanuschek (Hrsg.). HANDBUCH PEN. GESCHICHTE UND GEGENWART DER DEUTSCHSPRACHIGEN ZENTREN. Berlin/Boston 2014, S. 448-480)
Aktualisiert: 2018-10-05
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„Die unerträgliche Leichtigkeit des Haiku“

„Die unerträgliche Leichtigkeit des Haiku“ von Kazalarska,  Zornitza, Kazarlaska,  Zornitza, Kliems,  Alfrun, Krehl,  Birgit, Schlott,  Wolfgang, Trinkewitz,  Karel
Der Begleitband zur Berliner Ausstellung „Die unerträgliche Leichtigkeit des Haiku“ befasst sich mit der Dichtung von Karel Trinkewitz (1931–2014), einem deutsch-tschechisch-jüdischen Künstler und Dissidenten aus Prag, der lange im Hamburger Exil lebte. Er entdeckte in den 1960er Jahren das Haiku für sich, die japanische Kunstform des dreizeiligen Kurzgedichts. Der Band gibt einen Einblick in die Poetik von Trinkewitz und seine Haikus, denen dieser in Anspielung auf Milan Kundera eine „unerträgliche Leichtigkeit“ bescheinigte und das zum Anlass nahm, auch theoretisch über die Gattung und das Verhältnis von Kunst-Literatur-Leben nachzudenken. Christine Gölz ist Slawistin und Fachkoordinatorin für Literaturwissenschaft am Leipziger Geisteswissen­schaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO). Alfrun Kliems lehrt als Professorin für Westslawische Literaturen und Kulturen an der Humboldt-Universität zu Berlin. Birgit Krehl ist als Polonistin und Bohemistin an der Universität Potsdam tätig.
Aktualisiert: 2023-03-14
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Städtebilder

Städtebilder von Hanke,  Birgid, Inge,  Buck, Schlott,  Wolfgang
Bremen – Danzig – Riga: Seit über zwei Jahrzehnten besteht zwischen den drei Hansestädten ein lebendiger Kulturaustausch. Schriftstellerinnen und Schriftsteller treffen sich zu Lesungen und Workshops, beteiligen sich an Veranstaltungen im Rahmen der Städtepartnerschaften, gestalten den literarischen Dialog zwischen einst gegensätzlichen Welten. Aus diesen persönlichen Begegnungen und öffentlichen Literaturveranstaltungen entstanden die Idee und das Konzept zu der nun vorliegenden Anthologie Städtebilder. Brema – Gdansk – Ryga: miasta te prowadza aktywna wymiane kulturalna od ponad dwudziestu lat. Pisarki i pisarze spotykaja sie na odczytach, warsztatach poetyckich, uczestnicza w inicjatywach literackich miast partnerskich, prowadzac dialog autorski miedzy tak róznymi swiatami. Podczas tych, zarówno osobistych jak i oficjalnych spotkan i imprez literackich, zrodzil sie pomysl i powstala koncepcja tej antologii. Bremene – Gdanska – Riga: jau vairak ka divu gadu desmitus pastav dziva kulturala apmaina starp šim trim Hanzas pilsetam. Rakstnieces un rakstnieki tiekas lasijumos un literaras darbnicas, piedalas sarikojumos partneru pilsetu ietvaros un veido literaru dialogu starp kadreiz pretejam pasaulem. No personigam tikšanam un publiskam literateraram sanaksmem radas doma un izveidojas koncepts tagadejai antologijai Städtebilder (pilsetas ainas)
Aktualisiert: 2020-03-12
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Heimat – gerettete Zunge

Heimat – gerettete Zunge von Bergel,  Hans, Brantsch,  Ingmar, Engel,  Walter, Hehn,  Ilse, Heinz,  Franz, Hensel,  Klaus, Hodjak,  Franz, Lippet,  Johann, Motzan,  Peter, Ortinau,  Gerhard, Samson,  Horst, Schlesak,  Dieter, Schlott,  Wolfgang, Schuller,  Friedrich, Seiler,  Hellmut, Spiridon,  Olivia, Waitz,  Balthasar
Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland Mehr als zwanzig Jahre nach der letzten Ausreisewelle der deutsch schreibenden und publizierenden Autoren aus Siebenbürgen, dem Banat und Bukarest drängt sich eine Reihe von Fragen auf, die in der Zwischenzeit von der rumäniendeutschen Germanistik unter unterschiedlichen Aspekten aufgeworfen worden sind. Es handelt sich dabei auch um den Zusammenhang zwischen literarischem Erbe, Bewahrung kultureller Traditionen, historischer Aufarbeitung von politischer Verfolgung und ideologischen Irrwegen, Beurteilung ästhetischer Verfahren und die Rezeption einer „randständigen“ Literatur im bundesdeutschen Literaturbetrieb. Einige dieser Themen sind in den 1990-er und in den 2010-er Jahren auf wissenschaftlichen Tagungen in Deutschland und in Rumänien bereits erörtert worden. Parallel zu diesen Veranstaltungen trafen sich die aus ihrer ehemaligen Heimat stammenden Schriftsteller mit den wenigen in Rumänien verbliebenen Autoren zu Lesungen und Diskussionen im Banat und in Siebenbürgen, aber auch im Rahmen von Lesungen der germanistischen Fakultät an der Universität in Bukarest. Die vom 16.-18. November 2012 in die Tagungsstätte „Heiligenhof“ (Bad Kissingen) eingeladenen Literaten und Literaturwissenschaftler sollten sich, angeregt von den Veranstaltern, einer von diesen – oben genannten Unternehmungen – abweichenden Fragestellung widmen. Unter dem Thema „Heimat – gerettete Zunge. Die rumäniendeutsche Literatur in der Bundesrepublik Deutschland“ hatten die renommierten Vertreter der schreibenden Zunft aus den Bereichen Prosa, Lyrik, Dramatik und Essayistik die Aufgabe, aus ihren Texten zu lesen und sich anschließend den Fragen der Moderatoren und des Publikums zu stellen. Gemeinsam mit zwei vom Exil-P.E.N. eingeladenen Vertretern der Banater Literaturszene sollte auf dieser Tagung auch der Erfahrungsaustausch zwischen den in der Heimat verbliebenen und den in Deutschland angekommenen Pro-tagonisten bewertet und befördert werden. Auf dem Hintergrund dieser beiden Intentionen spielte der Aspekt der politischen und ideologischen Implikationen, denen der Literaturbetrieb in Rumänien ausgesetzt war, nur eine marginale Rolle. Vielmehr ging es in den durch die Moderatoren eingeleiteten Lesungen um die thematischen und ästhetischen Implikationen in den Werken der vortragenden Autoren und ihre Rezeption in den bundesdeutschen Fachzeitschriften, wie auch zum Teil um das Echo solcher Texte in deutschsprachigen Zeitungen in Rumänien. Dieser wechselseitige Transfer wurde durch die themenbezogenen Referate der Literaturwissenschaftler insofern bereichert und vertieft, als die auf der Tagung präsentierten und in den Tagungsband nunmehr aufgenommenen Essays ein breites Spektrum an literaturhistorischen, rezeptionsästhetischen und literatursoziologischen Aspekten anboten. Diese zwischen die Lesungen eingeschalteten Referate wie auch an die jeweiligen Lese-Panels anschließenden Vorträge trugen zu den besonderen Lerneffekten der Tagung bei. „Heimat – gerettete Zunge?“ Der Versuch einer Antwort wirft eine Reihe von Implikationen auf, die in neue Fragestellungen münden wie: Was und wie wurde etwas gerettet von dem literarischen Erbe, das in den schöpferischen Werken der auf Deutsch schreibenden Autoren angelegt ist? Welchen Rezeptionsbedingungen sind Texte ausgesetzt, die meist unter großen Schwierigkeiten und noch dazu in zensierter Fassung verlegt wurden? Was also ist gerettet worden, aufgehoben in der Literaturkritik, eingemündet in die entstehende Literaturgeschichte? Was ist und was wird bewahrt, um denen etwas zu überliefern, die in der deutschen Sprachheimat geblieben sind und seit 1990 von den literarischen Werken „ihrer“ Schriftsteller und Dichter aus den wieder entstandenen kleinen Verlagsanstalten geistig versorgt werden? Auf welche Weise aber werden auch die aus ihren rumänischen Siedlungsorten in die Bundesrepublik Deutschland ausgewanderten Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen mit Büchern ihrer Lieblingsautoren bekannt gemacht? Die sich daraus ergebende Frage zielt auf die Brückenfunktion derjenigen Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die in dieser Anthologie versammelt sind wie auch derjenigen Autorinnen und Autoren, die sich wie Herta Müller und Richard Wagner einer weltweiten und deutschlandweiten Anerkennung erfreuen und aus unterschiedlichen Gründen nicht an der Tagung teilnehmen konnten. Es bleibt also die Frage: Welche literarischen Schätze transportieren diese Werke aus den beiden, nunmehr sprachlich ausgedünnten großen Siedlungsgebieten in die bundesrepublikanische literarische Öffentlichkeit? Mit welchen transformierten ästhetischen Verfahren sind diejenigen Texte ausgerüstet, die vor allem in den letzten zwanzig Jahren für den deutschen Literaturmarkt geschaffen wurden? Erweist sich die Zungen-Metaphorik in dem eingangs zitierten Gedicht von Hellmut Seiler als Wegweiser in eine vielschichtig zerklüftete, von vielen Unstimmigkeiten und Entfremdungen erfüllte „Heimat“ als der existentiell und schöpferisch ideale neue Ort? Mit welchem Zungenschlag sind die mehr als drei Dutzend bereits in Rumänien publizierenden Autorinnen und Autoren in der neuen Heimat angekommen? War es noch eine „alte“ Heimat, die nach den Worten von Seiler „sich an sich selbst verschluckt“? Oder ist es nunmehr eine „neue“ Heimat, in der die Angekommenen sich wieder einer Sprache bedienen, in der die geretteten sprachlichen Wurzeln neu verortet werden müssen? In der ihr „randständiges“ Idiom sich auf dem umkämpften literarischen Feld behaupten muss. Und nicht zuletzt: Gibt es bemerkenswerte literarische und ästhetische Ansätze, in denen die Abwendung von den tradierten stilistischen und ethnisch fundierten, oft auch ideologisierten Schreibweisen die Voraussetzung für den Durchbruch auf dem turbulenten deutschsprachigen Literaturmarkt sind? Zeichnen sich fremde Verfahren ab, die gewohnte, eingefahrene Darstellungen von historischen Abläufen und pathologischen Handlungsweisen durchbrechen? Mit solchen Fragestellungen ausgerüstet erkundigen sich die Veranstalter der Tagung, neben den bereits erwähnten ästhetischen Aspekten der abgedruckten Texte, auch nach dem informativen Gewinn von Texten. Sie führen uns nicht nur in die „alte“ Heimat, sondern entfernen sich aus den nationalen Gefilden, um sich in transkulturellen Kontexten mit „Cross-over“-Erkenntnissen aus unterschiedlichen Wahrnehmungsbereichen auszustatten. Auf diesen breit angelegten Textfeldern kommen unterschiedliche perspektivische Einstellungen gegenüber der beschriebenen ‚Welt’ zum Ausdruck. Das führt unter anderem auch zur Frage, ob bestimmte narrative Verfahren an Attraktivität gewinnen, wenn sie sich eines regionalsprachlichen Kolorits bedienen, um kulturelles Substrat zu retten und auch die Generationen übergreifende Gedächtnisarbeit zu fördern. Die vorliegenden Tagungstexte und ergänzenden Beiträge vermögen zum Beispiel bestimmte Einblicke in politisch brisante Phasen der rumänischen Nachkriegsgeschichte zu geben. Hans Bergel, der seit 1968 in der Bundesrepublik lebt, hat in zahlreichen Romanen und Erzählbänden seine repressiven Erfahrungen mit dem kommunistischen Regime aufgearbeitet. In den beiden Erzählungen „Der Barackentrottel“ und „Der Major und die Mitternachtsglocke“, die den Bereich der Prosa einleiten, berichtet ein Ich-Erzähler über seine Begegnung mit Häftlingen in einer Baracke im Straflager und über den Ablauf einer Minute vor der Urteilsverkündigung im berüchtigten Kronstädter Schriftsteller-prozess im Jahr 1959. In beiden narrativen Strukturen überwiegt die distanzierte Beschreibung der Umstände, unter denen die Häftlingen und Untersuchungsgefangenen der staatlichen Willkür ausgeliefert sind. Es sind Umstände, die aber auch die Voraussetzungen für den Widerstand gegen manipulierte Aussagen und erzwungene Geständnisse liefern. Johann Lippet, Autor einiger Romane und Erzählbände über die dörfliche Welt des Banats, macht seine Leser in der Erzählung „Über Kimme und Korn“, ein Auszug aus dem Roman „Bruchstücke aus erster und zweiter Hand“ (2012), mit autobiographisch verdichteten Erlebnissen vertraut. Sein jugendlicher Ich-Erzähler, ausgestattet mit dem Erfahrungswissen der älteren Generation, berichtet auch über die kläglichen Ergebnisse der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft, über den Betrug des rumänischen Staats an den Kleinbauern, die für das enteignete Land keine Entschädigung erhielten und über das Kopfgeld, das der rumänische Staat der Bundesrepublik Deutschland für die auswandernden Bauern abverlangte. Es sind eingehende, ethnologisch verdichtete Bilder aus einer untergehenden Welt, die längst ihre magische Anziehungskraft verloren hat. Aus einer gänzlich anderen Perspektive nehmen die Protagonisten in Balthasar Waitz’ Erzählband „Krähensommer und andere Geschichten aus dem Hinterland“ (2011) die dörfliche, nicht mehr vertraute Welt wahr. Ein Wir-Erzähler, in dem das gemeinschaftliche Wissen über die Gewohnheiten der Musiker einer Blaskapelle wie auch anderer Dorfbewohner gespeichert ist, plaudert frank und frei die Geheimnisse aus, um die es in dieser Welt geht: um illegitime Beziehungen, um uneheliche Kinder, um kuriose Verhältnisse bei den Auftritten der „schwäbischen Blaskapelle“ und natürlich um Besäufnisse. Es ist eine chaotisch sich verhaltende und zugleich gedemütigte dörfliche Gemeinschaft, die die neue sozialistische Ordnung im Dorf misstrauisch und ängstlich beobachtet. Sie leidet unter ihr, wie in „Die große Aufruhr im Dorf“. Kommunistische Funktionäre setzen unter Androhung von Strafen die Technisierung der entstehenden Kolchosen durch. Aus diesem Grund lassen sie die Pferde, materielle und emotionale Absicherung der Kleinbauern, abschlachten. Sie vernichten mit dieser hirnverbrannten Willkür nicht nur jahrhundertelange dörfliche Traditionen, sie erniedrigen und traumatisieren auch die schwäbischen Bauern, unter denen die meisten zwischen 1945 und 1950 in ukrainisch-sowjetischen Straflagern Sklavenarbeit leisten mussten. Bis in die frühen 1940-er Jahre zurück reichen die Handlungsstränge in der Erzählung „Schwarzer“. Diesen Spitznamen trägt der Dorfarzt, dessen Praxis sich in dem ehemaligen Bekleidungsgeschäft des Juden Krebs befindet. Der vor den Nazis in die USA geflohene Kaufmann bleibt in der Erinnerung der Dörfler mit einer gleichsam paradoxen Begründung: „Der Krebs war der beste Mensch auf der Welt, wenn er nur, um Gottes Willen, nicht ein Jude gewesen wäre.“ Gerhard Ortinau, einer der wesentlichen Protagonisten der „Aktionsgruppe Banat“, seit seiner Emigration 1980 in Berlin lebend, setzt sich in seinem Prosatext „Wehner auf Öland. Eine Verkleinerung“ in der Form eines inneren Monologs mit dem bekannten, 1990 verstorbenen SPD-Politiker auseinander. Wehner, der nach seinem Aufenthalt in Moskau als Mitglied der KPD im Auftrag der Komintern 1941 nach Schweden geschickt wurde und dort zwischen 1942 bis 1946 inhaftiert war, hatte sich in den späten 1950-er Jahren ein Ferienhaus auf der schwedischen Insel Öland gekauft. Dort verbrachte er gemeinsam mit Ehefrau und seiner Stieftochter Greta nach dem Rückzug aus dem Parteileben 1982 seine letzten Lebensjahre, schwer gezeichnet von Multi-Infarkt-Demenz. Ortinaus Monolog-Text stellt eine auf vielen Ebenen ablaufende quälende Abrechnung der Figur Wehner mit sich selbst dar. Sie bezieht sich auf die dokumentarisch belegten Denunziationen von Parteimitgliedern in der Moskauer NKWD-Zentrale, seine abgründigen Visionen und apokalyptisch ausgemalten Lebensbilder, auf seine verächtlichen Äußerungen über ehemalige Parteifunktionäre. Während Wehner – in der Funktion einer mit dramatischen Effekten aufgeladenen Figur des politischen Welttheaters – allmählich seine Identität verliert, kreist um die Insel das mythische Totenschiff Naglfar. Es ist ein mutig konstruierter, vielschichtiger Text, dem man in naher Zukunft eine dramaturgische Inszenierung wünscht. Die lyrischen Texte des Tagungsbandes tragen sehr unterschiedliche Handschriften, an denen sich multiperspektivische Kulturmodelle abzeichnen. Ilse Hehns bilderreiche, ornamental aufgeladene Reiseimpressionen erfassen ägyptische Kulturdenkmäler wie auch Alltagssituationen aus der Sicht eines kunstwissenschaftlich bewanderten lyrischen Ichs. Dabei überlagern sich visuelle, olfaktorische und taktile Wahrnehmungsfelder. Anders strukturiert erweisen sich die Begegnungen mit dem aus der Jugendzeit vertrauten Temeswar im Banat. Die nunmehr entfremdete Atmosphäre spiegelt sich in zerbrochenen Erinnerungsbildern, die sich beim Rundgang durch „heimatliche“ Gefilde ebenso einstellen wie in den verlogenen Empfindungen: „das nichtgesagte Wort / ist Schmerz / schamlos das gesprochene“. Franz Heinz’ poetische Visionen bedienen sich europäischer Topographien, um sich mit existentiellen Fragen wie Überleben in der Zivilisation oder die Wahrnehmung von Naturräumen durch eine verunsicherte Psyche auseinanderzusetzen. Klaus Hensels lyrisches Ich hingegen beklagt sich in „Wie ein guter Tag“ über den Verlust der Zeitwahrnehmung. Sie komme als Flaschenpost zurück, die wie „ein Fingerzeig in dem Buch Glas, Ironie und Gott als Widmung“ auftaucht. Dennoch erweisen sich die Erinnerungsstränge als tragfähig genug, um die Bukarester produktive Zeit wachzurufen, wie den literarischen Diskurs mit Heinz Czechowski, einem bekannten Vertreter der sächsischen Dichterschule. Franz Hodjak, renommierter Lyriker und Prosaautor, beschäftigt sich in den vorliegenden Gedichten mit bedeutenden Kunstwerken, wie dem Heilig Blut Altar von Tilman Riemenschneider in der Rothenburger St. Jacobs-Kirche oder Yves Kleins Gemälden, gestaltet im International Klein Blue (IKB), einer Mischung aus tiefdunklem Blau und Ultramarin. Er reflektiert einstige Begegnungen mit den Gagausen, einer altgläubigen Sekte im Raum zwischen Rumänien und der Ukraine, oder den Lipowenern, einer Ethnie, die im Donaudelta lebt, deren Stimmen „verständlicher / als jede Stimme, egal, woher / sie kommt“ seien. Seine Widmungsgedichte für die Dichterkollegen Horst Samson und Georg Aescht wie auch für den Herausgeber der Dresdner Literaturzeitschrift „Ostragehege“, Axel Helbig, sind mit poetisch aufgeladenen Metaphern und konkreten Topoi versehen, die sich auf lieb gewonnene Begegnungen an Orten beziehen, an denen sich natürliche, zivilisatorische und phantasiebeladene Phänomene überlagern. Johann Lippets „Hyperlinks“ sind reich an ländlich und dörflich idyllischen Bildern, die durch die Eingriffe der Staatsmacht zerstört werden. Sie wirft dem lyrischen Erzähler die Herstellung von „staatsfeindlichen Schriften“ vor, klagt ihn wegen deren Verbreitung an. Horst Samsons Poetik ist von der Sehnsucht nach dem im Weltall fixierten, einzigartigen Augenblick erfüllt. In seinen lyrischen Verfahren gehen die Tageszeiten ineinander über, Phänomene der Natur verbinden sich mit moralischen Kategorien und Erinnerungen an geschätzte Zeitgenossen überschreiten „unsere Zeit in den Urnen“. Dieter Schlesaks poetologisch verdichtete Reflexionen spüren seit den 1970-er Jahren die Ontologie eines Daseins auf, das ihn, den philosophisch gebildeten Wanderer zwischen Rumänien, Deutschland und Italien und den gelegentlichen Heim- und Rückkehrer aus Siebenbürgen, zu Aussagen bewegt, die Zeit und Raum transzendieren. In diesem schwebenden und zugleich an Orte und Körper festgemachten Diskurs wird der Zuhörer plötzlich von der Tragik des von Herrschaftszwängen erfüllten Seins aufgeschreckt, wie in Schlesaks Poem „Einem, der nie ankam“. Es ist dem Dichter Rolf Bossert gewidmet, der nur wenige Monate nach seiner Ankunft in Deutschland sich am 17. Februar 1986 in Frankfurt am Main, im Übergangswohnheim für Aussiedler, das Leben nahm. „Du aber kommst von unten. Und du hast einen Körper / verfügt der Beamte, schließt die Akte Deutschland / im Himmel. Du aber kamst blutend ins Nichts.“ Hellmut Seilers semantisch, syntaktisch und rhythmisch durchstrukturiertes Gedicht über die gerettete Heimatzunge, das als Motto für diesen Tagungsband benutzt wird, analysiert auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen jene verschwimmenden „heimatlichen“ Gefühle, die von der Grobheit der geschichtlichen Abläufe getroffen, sich – einem Zungentanz gleich – gegen die verräterische Sprache (vgl. „Zungenschlagseite“) wenden. Die Zunge verwandele sich damit in einen „blamierte(n) Füllungsgehilfe(n) der Peristaltik“; die „sich an sich selbst verschluckt“. Seilers hoch reflektierte Poetik durchdringt auch das Gedicht „Verfolgte verfolgen Verfolger“, das von der Wachheit gegenüber den eigenen verräterischen, von bloßer Mimikry erfüllten Gedanken zeugt. Das Genre der Dramatik, das in der deutschsprachigen Literatur Rumäniens bislang unterbewertet ist, wird in diesem Band durch Frieder Schullers Theaterstück „Ossis Stein oder Der werfe das erste Buch“ präsentiert. Der Autor, der seit den frühen achtziger Jahren in Deutschland lebt, ist seit 1990 wieder mit seinem Heimatort Katzendorf (rum. Caţa) in vieler Hinsicht verbunden. Er dient ihm als Inspirationsquelle, als dörflicher Kulturspeicher und als Schatztruhe ethnischer Bräuche. Das 2012 im Deutschen Theater Hermannstadt aufgeführte Stück, das hier in Auszügen publiziert wird, ist eine Politfarce. Die in ihr auftretenden Figuren Dan, ein Genosse und Mitläufer, Silvia, das Flittchen Poesie, Paul, ein Handlanger, Nicu, der politische Witz, dem es in der Diktatur prächtig geht, danach aber miserabel, und Ossi, ein Rundfunkreporter, sind Wesen mit zweierlei Überlebensstrategien. Sie passen sich in der Diktatur an, erzählen sich im Flüsterton politische Witze, denunzieren auch mal einen unliebsamen Kollegen, flirten mit dem Flittchen Poesie und spielen nach der Revolution die unbeugsamen Widerständler, sind auf der Suche nach lukrativen Jobs bei der Schnellverwertung von brisanten Stoffen und Kriminal-stories. Auf ihrem theatralischen Spielfeld bedienen sie sich unterschiedlicher dramatischer Formen. Die mit Couplets und volkstümlichen Versen wie auch mit witzigen Anspielun-gen gefütterten Dialoge brechen die ideologisch gesättigte offizielle Rede auf, entblößen die Funktion von geheuchelter Staatslyrik, machen nicht Halt vor der Kritik an der Besserwisserei westlicher Journalisten und setzen sich in der Figur des Ossi auch mit wissentlicher Denunziation und Verrat auseinander. Die essayistischen Beiträge widmen sich Themenfeldern, auf denen unterschiedliche Aspekte behandelt werden. Es ist die Rezeption deutschsprachiger Literatur aus Rumänien in einigen europäischen Ländern (Ingmar Brantsch) und die Beleuchtung der Innen- und Außenwelt des Banats an zwei narrativen Texten (Walter Engel). Franz Heinz setzt sich mit dem Bestseller „Die deutsche Seele“, einer Koproduktion von Thea Dorn und Richard Wagner, auseinander und bewertet sie als geglücktes Beispiel für eine produktive Wiederentdeckung der (deutschen) Innerlichkeit. Peter Motzan analysiert die Erfolgs- und Endzeitgeschichte der deutschsprachigen Literatur aus Rumänien. Horst Samson erzählt am Beispiel seines Gedichts „Pünktlicher Lebenslauf“ einen Abschnitt aus dem Lebenslauf seines Vaters unter einem doppelten Blickwinkel, als bildunterstützte Projektion und nachempfundene Vision der Kriegserlebnisse aus der Sicht des Sohnes und als Versuch, mittels eines Motorrads, Marke NSU, den Vater in die virulente Erinnerung zurückzuholen. Renate Windisch schließlich vergleicht am Beispiel der Lebensläufe von zwei Autoren aus unterschiedlichen Generationen: Hans Bergel, geboren 1925 in Rosenau bei Kronstadt, und Horst Samson, geboren 1954 in der Bãrãgan-Steppe, wo Bergel als Strafgefangener in den frühen fünfziger Jahren lebte, die unterschiedlichen und gemeinsamen Merkmale von Schriftstellerkarrieren unter einem kommunistischen Regime und unter den Bedingungen einer Demokratie. Die der Intention und dem Charakter eines Essays eigenen Argumentationsstrukturen schlagen sich in den einzelnen Beiträgen in stark voneinander abweichenden Beweisführungen nieder. Der Literaturwissenschaftler und Prosaautor Ingmar Brantsch listet in der Rolle des Rezensenten die Beiträge in dem Sammelband „Ost-West-Identitäten und – Perspektiven. Deutschsprachige Literatur in und aus Rumänien im interkulturellen Dialog“ (2012) zunächst summarisch auf, indem er die Studien derjenigen Germanisten bewertend nennt, die sich um die Rezeptionsforschung deutscher Literatur aus Rumänien in universitären Seminaren und Projekten kümmern. Sein fundiertes Wissen um literaturhistorische Abläufe und ästhetische Beziehungsfelder befähigen ihn, nicht nur die Ergebnisse dieser Forschungen im Hinblick auf die schwierige Rezeption der deutschen Literatur aus Rumänien in deutschsprachigen und anderen europäischen Ländern einzuschätzen. Es gelingt ihm auch, wesentliche ästhetische Faktoren aus den umfangreichen Untersuchungsmaterialien hervorzuheben, die als Grundlage für die Anerkennung der Werke von Herta Müller, Oskar Pastior oder Rolf Bossert in dem bundesdeutschen Feuilleton dienen. Mehr noch: Er stemmt sich gegen die These von der abgewanderten rumäniendeutschen Literatur, die er mit dem Verweis auf deutsch publizierende literarische Talente rumänischer Herkunft stützt. Mit dieser, angesichts gewisser Kassandrarufe sich aufdrängenden Fragestellung beschäftigt sich Peter Motzan. „Eine Erfolgs- und/oder eine Endzeitgeschichte? Zur Präsenz (ex)rumäniendeutscher Autoren im bundesdeutschen Literaturbetrieb“ nennt er seine Publikations- und Rezeptionsgeschichte, die er mit einem Zitat des aus der Bukowina stammenden Dichters Alfred Kittner aus dem Jahr 1971 einleitet: „…die rumäniendeutsche Lyrik (ist) weit besser als ihr Ruf, denn sie hat gar keinen.“ An diesem Zustand habe sich auch bis zum Beginn der 1990er Jahre nichts geändert. Der dann eingeleitete Publikations- und Rezeptionsprozess habe den deutschsprachigen Autoren aus Rumänien bis zur Verleihung des Literaturnobelpreises an Herta Müller eine breit angelegte Anerkennung gebracht, deren ästhetisch innovative Merkmale Peter Motzan wie folgt definiert: „Sie (die rumäniendeutschen Autoren, WS) durchstoßen eingerostete Wahrnehmungen und Eigenstereotype, verfremden das Vertraute ins Unvertraute, spüren die Diskrepanzen zwischen Zeichen und Bezeichnetem, zwischen Schein und Sein auf, entwickeln ungewohnte und erhellende Sichtweisen auf die deutsche Wirklichkeit und die Gesinnungslage der Nation, als deren Teil sie sich begreifen.“ Diese überzeugend dargelegten ästhetischen und literatursoziologischen Wirkungsmechanismen sind auch der Gegenstand der Ausführungen, die Olivia Spiridon in ihrem Tagungsbeitrag unter Verweis auf ihre 2012 erschienene Anthologie „Deutsche Erzähler aus Rumänien nach 1945“ präsentiert. Ihre Fragestellung „Wer liest heutzutage ‚rumäniendeutsche’ Literatur?“ zielt zunächst – nach der einleitenden Klärung des Begriffs, einer „bizarren Nomen-Adjektiv-Verbindung“ – auf die Festlegung von potenziellen „Kundenkreisen“, die sich für diese Minderheitenliteratur interessieren könnten. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es drei Lesergruppen gebe: die aus den südosteuropäischen Kulturkreisen stammende deutschsprachige Gruppe, der Leserkreis aus den deutschsprachigen Gebieten, dessen Mitglieder ein gewisses Interesse für randständige Kulturen entwickeln, die den Zwängen von Diktaturen ausgesetzt waren, und eine rumänische Lesergruppe, die aufgrund von zukünftig zahlreicheren zweisprachigen Veröffentlichungen und Übersetzungen in ihre Muttersprache Zugang zu einer Reihe von deutschsprachigen Werken hätten. Vor allem die beiden zuletzt genannten Leserkreise müssten, so Spiridon, in literaturgeschichtliche und thematische Hintergründe der veröffentlichten „rumäniendeutschen“ Werke eingeweiht werden. Aus diesen Erwägungen heraus plädiert sie für die Einfügung von ausführlichen Kommentaren, um diese Lesergruppen auf der Grundlage von kulturgeschichtlichen, soziokulturellen und auch politischen Informationen mit den Kontexten der literarischen Werke vertraut zu machen. Auf welche Weise ein Autor aus dem rumäniendeutschen Kulturkreis einen spezifischen Beitrag zur Bereicherung der deutschen Sprachgeschichte leistet, kommentiert und analysiert Franz Heinz in seinen rezeptionsästhetischen Ausführungen zum kulturhistorischen Nachschlagewerk „Die deutsche Seele“ (2011). Die von Thea Dorn und Richard Wagner geschaffene Publikation mit enzyklopädischem Charakter, die auf dem deutschsprachigen Büchermarkt zahlreiche Rezensionen und einen breiten Absatz gefunden hat, hinterlasse, so Heinz, manche prägnante Spur, deren Ursprung auf die heimatliche Erfahrung im Banat zurückzuführen sei. Die Erinnerung an die „Streiflichter aus dem Elternhaus“ veranlassten Richard Wagner, der seine Herkunft einst als „Rühreilandschaft“ bezeichnet habe, zu einem Bekenntnis zu dem schönen deutschen Wort Heimat. Gibt es ein überzeugenderes Argument für die Notwendigkeit, randständige Kulturbereiche in eine deutsche Kultur aufzunehmen, in der die Wiederkehr der Innerlichkeit nunmehr mit neuen Akzenten versehen wird? Dieser vergleichenden Betrachtung von zwei Landstrichen an den Randzonen von Mitteleuropa ist auch Walter Engel in seinem transparent gestalteten Beitrag über Innen- und Außenwelten des Banats nachgegangen. Auf der Grundlage von zwei Erzählwerken, Esther Kinskys „Banatsko“ (2011) und Balthasar Waitz’ „Krähensommer und andere Geschichten aus dem Hinterland“ (2011) zeichnet er den kulturellen Niedergang des Banats nach, einer Landschaft, die aus drei Siedlungsgebieten besteht. Er verweist auf die unterschiedlichen perspektivischen Einstellungen und Erzählverfahren bei der Beschreibung rumänischer, serbischer und ungarischer beziehungsweise ehemaliger deutscher Dorfkulturen, deren Geschichte nunmehr den literarischen Rohstoff für melancholische, aber auch für humorvolle und ironische Betrachtungen liefern. Der vorliegende Tagungsband ist dank der Bemühungen von Horst Samson um die Zusammenkunft der Autorinnen und Autoren wie auch der Referentinnen und Referenten zustande gekommen. Besonderer Dank gilt dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Kulturstaatsminister Bernd Neumann, dessen finanzielle Förderung die Tagung und die vorliegende Publikation erst ermöglichte. Wir hoffen, dass die Publikation, die so viele substantielle Aspekte der Bedeutung der rumäniendeutschen Literatur für die deutschsprachigen Kulturlandschaften anspricht, ein breites Echo in der Öffentlichkeit findet. Wolfgang Schlott, Präsident des Exil-P.E.N. (Bremen, im Februar 2013)
Aktualisiert: 2018-10-05
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Boleslaw Fac (1929-2000)

Boleslaw Fac (1929-2000) von Buck,  Inge, Radziwil,  Konstanze, Schlott,  Wolfgang
Der polnische Schriftsteller und Grass-Übersetzer Boleslaw Fac, der im Winter 2000 in Danzig gestorben ist, hat den in den achtziger Jahren abgerissenen Dialog zwischen polnischer und deutscher Literatur neu auf den Weg gebracht. Zum Gedenken an ihn istt nun diese Publikation erschienen, in der insbesondere Bremer Schriftstellerinnen und Schriftsteller versammelt sind, die durch persönliche oder literarische Begegnungen mit ihm angeregt wurden. Aber auch Boleslaw Fac kommt im vorliegenden Band mit Lyrik und Prosa zu Wort. Erstmals werden hier Auszüge aus seinem Briefwechsel mit Günter Grass aus den Jahren 1975 bis 1989 veröffentlicht. Darüber hinaus enthält die Anthologie persönliche, literarische, und wissenschaftliche Beiträge polnischer Autoren zu Boleslaw Fac, die hier erstmals in deutscher Übersetzung (Übersetzer: Wolfgang Schlott) vorliegen. In ihnen zeichnen sich die schwierigen Lebensumstände eines polnischen Interlektuellen unter den repressiven Bedingungen der kommunistischen Staatsmacht ab sowie die Konturen eines Kenners und Gestalters der von Tragik und Missverständnis gezeichneten polnisch-deutschen Literaturgeschichte. Der Band aus Lyrik, Prosa, Erinnerungen und Essays wird ergänzt durch schwarz-weiß-Fotos aus privaten Archiven.
Aktualisiert: 2020-07-24
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Von der Darstellung des Holocaust zur «kleinen Apokalypse»

Von der Darstellung des Holocaust zur «kleinen Apokalypse» von Schlott,  Wolfgang
Ausgehend von der Poetik des Katastrophismus untersucht die Publikation an drei Textmodellen (Prosa von Tadeusz Borowski, Tadeusz Rózewicz, Leopold Buczkowski), welche Arten von fiktionaler Krisenbewältigung bedeutende Vertreter der 1956er Generation (Jerzy Andrzejewski, Kazimierz Brandys, Tadeusz Konwicki) und der 1968er Generation (Janusz Glowacki, Marek Nowakowski, Kazimierz Orlos, Janusz Anderman) unter den politischen Bedingungen der polnischen Irrealität entwickelt haben. Ihre literarischen Entwürfe, in denen Begriffe wie Geschichtslosigkeit, Lähmung, Revolte, pathologische Antriebslosigkeit, Groteske, Ironie und Apokalypse textbewegende Funktionen haben, bilden die Grundlage der Untersuchung. Sie findet ihren Abschluß in einem typologischen Überblick über die Auswirkung der Jahrhundertkatastrophe auf die polnische Prosa und mündet in die Einsicht, daß die radikalen ästhetischen Normenbrüche in den Texten der 1940er Jahre aufgrund von Zensur und Publikationsverboten sich erst mit erheblicher Zeitverzögerung entfalten konnten.
Aktualisiert: 2019-12-19
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Kollektive Identitäten in Ostmitteleuropa – Polen und die Tschechoslowakei

Kollektive Identitäten in Ostmitteleuropa – Polen und die Tschechoslowakei von Bock,  Ivo, Schlott,  Wolfgang, Tatur,  Melanie
Die Desintegration der alten und die Suche nach der neuen kollektiven Identität bilden die Themen des vorliegenden Buches. Sie werden vor allem anhand der politischen und kulturellen Diskurse in Polen und der ehemaligen Tschechoslowakei zu Beginn der neunziger Jahre - schwerpunktmäßig 1992 - untersucht.
Aktualisiert: 2020-07-24
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Kultur im Umbruch

Kultur im Umbruch von Bock,  Ivo, Eichwede,  Wolfgang, Hiller,  Marlene P, Schlott,  Wolfgang, Trepper,  Hartmute
Der vorliegende Band zeichnet den Wandel der Kultur in den drei ehemals kommunistisch regierten Ländern Ost und Mitteleuropas - Polen, Tschechoslowakei, Rußland - nach. Im Mittelpunkt stehen die strukturellen Veränderungen des Kulturbetriebes und seine Öffnung für die bislang in den Untergrund oder ins Exil verdrängten Schriftsteller und Künstler. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, wie die jeweilige Kulturgemeinde auf diesen Wechsel reagiert und wie sie ihn reflektiert.
Aktualisiert: 2020-07-24
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Zerstörer des Schweigens

Zerstörer des Schweigens von Al'tman,  Il'ja, Ambros,  Veronika, Antipowa,  Lilja, Clowes,  Edith, Crowe,  David, Flickinger,  Brigitte, Garstka,  Christoph, Gerigk,  Horst-Jürgen, Grüner,  Frank, Jedlinska,  Eleonora, Kaibach,  Bettina, Karl,  Lars, Lebedewa,  Jekaterina, Löwe,  Heinz-Dietrich, Moskovich,  Wolf, Müller,  Christine, Peritore,  Silvio, Pešek,  Jirí, Piotrowski,  Piotr, Pluharová-Grigiene,  Eva, Redepenning,  Dorothea, Reuter,  Frank, Schlott,  Wolfgang, Stadelmann,  Matthias, Stahl-Schwaetzer,  Henrieke, Tomoff,  Kiril, Winzer,  Catharina, Wolf-Griesshaber,  Katharina
Aktualisiert: 2020-08-05
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