Ökonomie und Gesellschaft / Die Aktualität keynesianischer Analysen

Ökonomie und Gesellschaft / Die Aktualität keynesianischer Analysen von Bhaduri,  A, Kromphardt,  J., Riel,  B van
Inhalt Amit Bhaduri: Microfoundations of Macroeconomic Theory - A Post-Keynesian View Peter Kalmbach, Heinz Kurz: Einige Überlegungen zu Akumulation und Einkommensverteilung in keynesianischer Perspektive Bart van Riel: The Relation between Production, Accumulation and Income Distribution in Kalecki's Work Hansjörg Herr: Wege zur Theorie einer monetären Produktionswirtschaft - Der keynesianische Fundamentalismus Jürgen Kromphardt: Keynes' Analyse monetärer Produktionswirtschaften und die Erklärung andauernder Arbeitslosigkeit Rüdiger Dragendorf: Zinssatz und Profitrate in der (neu-)klassischen und keynesianischen Theorie - Ein Beitrag zu einem aufgeklärten Keynesianismus Karl Georg Zinn: Staat und Wirtschaftsordnung im Denken Keynes' Heinz-Peter Spahn: Liquiditätspräferenz, internationales Geld und Notenbankpolitik - Monetärer Keynesianismus und das keynesianische Element im praktizierten Monetarismus Ludo Cuyvers: Crisis in Economic Policy - On Tendencies and Transformations in the World Economy and their Impact on Macroeconomic Regulation Editorial Ein bekannter Ökonom hat das Werk einmal wie folgt charakterisiert: "It is a badly written book, poorly organized; any layman who, beguiled by the author's previous reputation, bought the book was cheated of his five shillings. It is not well suited for classroom use. It is arrogant, bad-tempered, polemical, and not overly generous in its acknowledgements. It abounds in mares'nests of confusions. Flashes of insight and intuition intersperse tedious algebra. An awkward definition suddenly gives way to an unforgettable cadenza. When finally mastered, its analysis is found to be obvious and at the same time new. In short, it is a work of genius." Die Rede ist natürlich von Keynes' "General Theory". Wie weit man dieser Einschätzung auch immer zuneigen oder widersprechen mag, man wird zugestehen müssen, daß mehr als jedes andere Werk eines Wirtschaftswissenschaftlers im 20. Jahrhundert die "General Theory" von Keynes die öffentliche Meinung wie auch die wirtschaftswissenschaftliche Forschung beeinflußt hat. Nur von wenigen wirtschaftstheoretischen Entwicklungen seit dem Erscheinen dieser Arbeit wird man sagen können, daß sie ohne Bezug dazu sind und nicht wenigstens in gewisser Weise dessen Einfluß spüren lassen. In diesem Sinne könnte man einen Großteil der wirtschaftstheoretischen Forschung, die seither stattgefunden hat, als postkeynesianisch bezeichnen. Dieser sehr weitreichende Begriff von postkeynesianischer Theorie ist nicht der gängige. So wird z.B. im New Palgrave "Post-Keynesian economics" folgendermaßen charakterisiert: "This is a portmanteau terrn which is used to contain the work of a heterogeneous group of economists who nevertheless are united not only by their dislike of mainstream neoclassical theory and the IS/LM general equilibrium versions of 'Keynesian' theory but also by their attempts to provide coherent alternative approaches to economic analysis." Dieser Charakterisierungsversuch macht zwar deutlich, daß als "postkeynesianisch" nur eine Untermenge all der nach Keynes entstandenen Arbeiten bezeichnet werden soll; unübersehbar ist jedoch, daß es offenbar leichter fällt, die Abneigungen der Postkeynesianer zu benennen, als deren Forschungsprogramm selbst zu skizzieren. Schon die Tatsache, daß von "kohärenten alternativen Ansätzen" gesprochen wird, verweist auf einen Sachverhalt, der einer größeren Wirksamkeit der unter diesem Begriff zusammengefaßten Ansätze im Wege stand: Die postkeynesianische Theorie existiert nicht, vielmehr liegen mehrere Ausarbeitungen vor, die allenfalls eine gewisse interne Konsistenz aufweisen, aber keineswegs ohne weiteres miteinander verträglich sind. Dies ist nicht besonders erstaunlich, wenn man sich die vielfältigen und teilweise miteinander unverträglichen Interpretationen vor Augen führt, die die Keynessche Theorie erfahren hat. Obwohl nur der kleinere Teil derjenigen, die sich als Postkeynesianer verstehen, vorrangig an Exegese interessiert ist, werden doch auch die anderen immer wieder gezwungen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, "what Keynes really meant". Dies ergibt sich einfach daraus, daß bereits mit dem Namen "postkeynesianische Theorie" der Anspruch erhoben wird, die wesentlichen Ideen von Keynes aufzugreifen und fortzuentwickeln. Damit wird es aber unvermeidlich, darüber Auskunft zu geben, worin diese wesentlichen Ideen gesehen werden, oder anders formuliert: was als die theoretische Novität angesehen wird, die sich mit dem Namen von Keynes verbindet und an deren Fortführung und Ausdehnung auch auf Fragen, die von Keynes selbst vernachlässigt wurden, Interesse besteht. Die Auskünfte, die dazu gegeben werden, weichen beträchtlich voneinander ab - und damit auch die Ausrichtungen der verschiedenen postkeynesianischen Strömungen. Einigkeit herrscht unter Postkeynesianern nur in der Ablehnung derjenigen Interpretationen der Keynesschen Theorie, die diese zu einem Spezialfall der allgemeinen Gleichgewichtstheorie verharmlost und damit eine bequeme Koexistenz von neoklassischer und Keynesscher Theorie zu erlauben scheint. Als Prototyp dieser Richtung wird die sogenannte neoklassische Synthese angesehen, derzufolge die Keynessche Theorie auf empirisch bedeutsame Starrheiten verweist, denen in der kurzen - aber unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten vielleicht bereits zu langen - Frist Rechnung getragen werden muß, die aber die Gültigkeit der dominanten Theorie nicht grundsätzlich in Frage stellen. Abgelehnt wird aber auch die Interpretation durch die Neue Makroökonomik, die darauf abstellt, daß - im Gegensatz zu Marshalls Vorstellung - kurzfristig die Mengeneffekte den Preiseffekten vorauseilen und sich dadurch Informationsstörungen ergeben können, die einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht im Wege stehen. Die Ansatzpunkte der verschiedenen postkeynesianischen Richtungen sind demgegenüber so unterschiedlich, daß man, eine bekannte Definition der Wirtschaftswissenschaft paraphrasierend, letztlich zu der Feststellung neigt, "Postkeynesian economics is what Postkeynesian economists do!" Zwar gibt es einige gemeinsame Grundauffassungen - die Differenzen überwiegen jedoch, selbst was ganz grundsätzliche Fragen anbetrifft. So wird z.B. nach wie vor kontrovers darüber diskutiert, ob die Keynessche Theorie eine endogene Instabilität des ökonomischen Systems oder aber die Stabilität von Unterbeschäftigungsgleichgewichten begründen will; ob letztere - sofern existent - als temporäre Gleichgewichte oder als long-period Positionen aufzufassen sind; ob das Prinzip der effektiven Nachfrage als der Kern der Keynesschen Theorie anzusehen ist oder es ihrem Schöpfer darum gegangen ist, die besonderen Funktionsbedingungen einer Geldwirtschaft herauszuarbeiten, ob der Unsicherheit über die Zukunft eine zentrale oder für die entwickelte Theorie eher eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Diese Auflistung kontroverser Beurteilungen ließe sich erheblich verlängern, aber auch hiermit dürfte bereits deutlich geworden sein, daß Nichtübereinstimmung in so zentralen theoretischen Fragen dazu führen muß, daß die Kontrahenten das jeweils von ihnen vermutete keynesianische Programm mit recht unterschiedlichen Akzenten fortführen. Wem es darum geht, sich einem wohlausgearbeiteten und mit breitem Konsens ausgestatteten Paradigma anzuvertrauen, dem wird man mithin die Postkeynesianische(n) Theorie(n) kaum schmackhaft machen können. Ihm wird nach wie vor die neoklassische Theorie als die wissenschaftliche Heimstätte zu empfehlen sein, die Schutz und Sicherheit bietet. Zudem hat sich das für sie konstitutive wahlhandlungstheoretische Paradigma als genügend flexibel erwiesen, um auf eine breite Palette von Fragestellungen angewendet werden zu können. Die postkeynesianische Theorie kann demgegenüber allerdings darauf verweisen, daß bezüglich zentraler Probleme von real existierenden Wirtschaften die neoklassische Theorie keine befriedigenden Antworten liefert und eine Fortentwicklung der Keynesschen Theorie hierfür erfolgversprechender erscheint. Dies gilt für das Problem der Arbeitslosigkeit, für das die Neoklassik letztlich nur "imperfektionistische" Erklärungen anbietet. Der einen oder anderen Unvollkommenheit wegen sind ihr zufolge die realen Verhältnisse halt nicht so, daß das allgemeine Gleichgewicht und damit auch die Räumung des Arbeitsmarkts erreicht wird. Es gilt auch bezüglich der Erklärung der Akkumulation, die sich im Lichte der Neoklassik lediglich als ein besonderer Aspekt des Allokationsproblems, nämlich als dessen intertemporäre Variante, darstellt. Mit der Akkumulation untrennbar verknüpft war schon in der klassischen Politischen Ökonomie die Frage der Einkommensverteilung. In der Behandlung des Zusammenhangs von Akkumulation und Verteilung weist die Neoklassik ganz besondere Defizite auf, die postkeynesianische Autoren dazu geführt haben, die Fruchtbarkeit des Keynesschen Ansatzes für diese Frage zu erproben und gleichzeitig bestimmte Elemente der klassischen Theorie damit zu verbinden. Und um einen letzten Punkt zu nennen: die neoklassische Theorie tut sich schwer damit, Geld in einer relevanten Weise in ihr Kernmodell zu integrieren und den speziellen Bedingungen einer Geldwirtschaft Rechnung zu tragen. Die von Keynes jedenfalls in der Zeit zwischen "Treatise" und "General Theory" verfolgte Idee einer Theorie der Geldwirtschaft aufzugreifen und weiterzuentwickeln, ist deshalb das besondere Anliegen einer Gruppierung unter den Postkeynesianern. Zu welcher Beurteilung man auch immer hinsichtlich theoretischer Stringenz und Erklärungskraft der verschiedenen Analysen auf Keynesschen Spuren kommen mag: Man wird wohl zugestehen müssen, daß zwischen der streng axiomatisch aufgebauten allgemeinen Gleichgewichtstheorie einerseits und einer weitgehend atheoretischen Deskription des Wirtschaftsgeschehens à la historische Schule andererseits ein weiter Bereich verbleibt, von dessen Ausfüllung am ehesten erwartet werden darf, daß damit Erklärungen für ökonomische Vorgänge in Gesellschaften gewonnen werden, deren historisch spezifischer Charakter im zugrundeliegenden Ansatz nicht verwischt, sondern im Gegenteil pointiert wird. Methodisch und inhaltlich wird von postkeynesianischer Seite versucht, diesen Bereich zwischen weitgehend enthistorisierter ökonomischer Theorie und überwiegend theorieloser Ökonomiehistorie zu besetzen. Was das Methodische anbelangt, so mag dafür Kaldors Vorgehen stehen, der Deduktion aus bestimmten Axiomen einen Ansatz entgegenzusetzen, der von "stilisierten Fakten" ausgeht und für diese Erklärungen zu gewinnen versucht. Und um nur ein Beispiel für Inhaltliches zu geben: Postkeynesianische Ansätze gehen gewöhnlich nicht von einem abstrakten Wettbewerbssystem aus, sondern versuchen von Anfang an, in ihren Analysen zeitgenössischer Ökonomien zu berücksichtigen, daß relevante Bereiche der Wirtschaft durch oligopolistische Konkurrenz gekennzeichnet sind. Zumindest was diesen wichtigen Aspekt anbelangt, sind viele Postkeynesianer sehr stark von Kalecki und dessen Unterscheidung zwischen nachfrage- und kostenbestimmten Preisen beeinflußt. Da Kalecki zudem unabhängig von Keynes das Prinzip der effektiven Nachfrage entwickelt hat, wäre, nebenbei bemerkt, darüber zu reden, ob zumindest bestimmte Varianten der postkeynesianischen Theorie nicht zutreffender mit dem Namen von Kalecki verbunden würden. Den in diesem Band versammelten Arbeiten ist gemeinsam, daß sie sich der von Keynes und Kalecki begründeten Sichtweise verpflichtet fühlen; eine gemeinsame, die keynesianische Botschaft vermitteln sie nicht. Es wurde auch nicht versucht, so etwas wie einen repräsentativen Überblick über die verschiedenen Strömungen im keynesianischen Lager zu geben und dabei einen Proporz einzuhalten. Mit den einzelnen Beiträgen wird vielmehr in durchaus unterschiedlicher Weise eine Ortsbestimmung und Weiterentwicklung der keynesianischen Theorie sowie eine Einschätzung keynesianischer Wirtschaftspolitik unter veränderten Rahmenbedingungen vorgenommen. Die diskutierten Fragen sind dementsprechend vielfältig: Behandelt werden die Notwendigkeit der Mikrofundierung der Makroökonomik, Fragen einer keynesianischen Akkumulations- und Verteilungstheorie, Kaleckis Beitrag zu der üblicherweise nur mit Keynes' Namen identifizierten Theorie, die Bedeutung von Geld und Kredit für die "monetäre Produktionswirtschaft", die Rolle des Staats bei Keynes sowie Probleme, die sich daraus ergeben, daß - anders als in der "General Theory" - nicht von einer geschlossenen Wirtschaft ausgegangen werden kann, sondern bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen reale und monetäre Beziehungen zum Ausland berücksichtigt werden müssen.
Aktualisiert: 2018-11-08
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